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Berlin: Der Meister der schweren Mädchen

Vor gut 180 Jahren war der Kremser in Berlin Transportmittel. Jetzt gibt es den Pferdeomnibus wieder. Ein Norweger kutschiert ihn

Hella und Dolly haben keinen leichten Job. 1600 Kilo schwer ist das Gefährt, das die beiden Kaltblüter durch Berlin ziehen. Und da sind die bis zu 20 Fahrgäste und Kutscher Per Borgen noch nicht mitgerechnet. Die beiden Braunen sind selbst schwere Mädchen. Zusammen bringen sie fast zwei Tonnen auf die Waage. Wenn sie mit ihren tellergroßen Hufen aufstampfen, hinterlassen sie manchmal Abdrücke im Asphalt.

Zum Glück sind sie sanfte Wesen. Genauso wie ihr Herr und Meister Per Borgen. Nur wenn ein Autofahrer am Gendarmenmarkt direkt unter dem Halteverbotsschild mit dem Zusatz „Kremser frei“ parkt, kann er ein bisschen ungemütlich werden. Der Norweger ist einer der beiden Chefs des Fuhrunternehmens „Berliner Kremser Sander & Borgen“. Seit einem Jahr kutschiert der 45-Jährige alle durch Berlin, die die Stadt ohne Geschwindigkeitsrausch kennen lernen wollen – in einem Original-Kremser von 1840. „Das hier ist die einzige Kutsche dieses Typs, die noch regelmäßig durch Berlin fährt“, sagt Borgen stolz. Als Pferde-Omnibusse schickte der Fuhrunternehmer Simon Kremser solche Wagen 1825 zum ersten Mal durch die Stadt. So wurden sie für lange Zeit typisch fürs Straßenbild.

Vor fast 15 Jahren hat Per Borgen zum ersten Mal von Kremsern gehört – bei einer Pferdemesse in Essen. Damals war das Kutschieren für den gelernten Landwirt ein Hobby. Ein Beruf wurde mit den Olympischen Winterspielen in Lillehammer 1994 daraus: Borgen bildete Pferde für die Eröffnungszeremonie aus. Danach bot er Kutschfahrten und Reiterferien in Norwegen und Dänemark an.

Doch das Geschäft lief nicht so gut wie erwartet. Borgen hoffte, dass es in Deutschland mehr Pferdebegeisterte gibt und übersiedelte vor fünf Jahren nach Altenhof, nordöstlich von Berlin. 30 Pferde stehen dort bei ihm und seinem Kompagnon Winfried Sander im Stall. Als ihnen die Idee kam, Stadttouren in Berlin anzubieten hatten sie Glück: Auf der Suche nach einer Kutsche stießen sie auf den Kremser. Dass der antik ist, sieht jeder. „Er darf verbraucht aussehen“, sagt Borgen. „Aber Räder und Achsen sind neu.“

Der Norweger ist Berlin-Fan. „Hier ist es schön grün und mir gefällt die freundliche Atmosphäre.“ Auch die Pferde ertragen die Stadt gut. Sie sind an viel Verkehr gewöhnt.

Abends fahren die drei immer zurück nach Altenhof – allerdings nicht im Kremser. Dann dürfen Hella und Dolly ihre großen Hufe ausruhen und sich im Transporter nach Hause kutschieren lassen.

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