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Berlin: Der Millionär im Dunkel

Dem Technikmuseum wollte Glenn Lacey angeblich ein Vermögen zukommen lassen. Doch wo steckt er? Wo hat der Millionär seine Fabrik? Ist er pleite? Eine Spurensuche nach ihm und seiner Firma in England

Am Ende dieser Expedition wird der Mann, um den sich seit ein paar Wochen die Berliner Politik dreht, weil er dem Deutschen Technikmuseum angeblich ein Vermögen schenken wollte, aber angeblich pleite und gepfändet worden ist – am Ende wird Glenn Lacey sich darüber wundern, warum ihn so viele Leute so verzweifelt suchen. „Was für eine Überraschung, das klingt ja, als wäre ich für euch so geheimnisvoll wie der Yeti!“

Die Spekulationen um Glenn Lacey und seine Glaubwürdigkeit hängen eng mit seiner Scheu vor der Öffentlichkeit zusammen. Nur wenige kennen ihn persönlich. Es gibt keine Interviews und kaum Fotos, im Archiv der Londoner „Times“ findet sich kein einziger Artikel über ihn. Glenn Lacey macht sich in der Öffentlichkeit so rar, dass ihn auch nicht der Berliner Senat findet. Es geht um eine Spende, die der Brite angeblich vor zwei Jahren zugesagt hat. Lacey möge doch bitte die von ihm versprochenen 5,5 Millionen Euro überweisen für das Grundstück am Technikmuseum, auf dem kein Riesenrad gebaut werden soll.

Aber hat Lacey dieses Versprechen überhaupt gemacht? Er sagt: „Das war eine persönliche und wohltätige Geste und keinesfalls als eine Schuld gegenüber dem Senat zu sehen.“ Der Senat mag die Korrespondenz mit dem Mäzen nicht veröffentlichen. Kultur-Staatssekretär André Schmitz spricht immerhin von einer Absichtserklärung, juristisch nicht einzuklagen. Am Ende musste der Senat das für einen Grundstückskauf verplante Geld selbst aufbringen. Da hat es einen hübschen Skandal gegeben und eine kleine Regierungskrise. Berlin könnte mit seinem Geld Besseres anfangen, als Grundstücke zu kaufen, auf denen nichts gebaut werden soll. Der Bund der Steuerzahler spricht von einem „ungeheuerlichen Vorgang“.

Wer ist dieser Glenn Lacey?

Kein tibetischer Schneemensch, sondern ein britischer Geschäftsmann. Er ist 56 Jahre alt und hat ein Faible für alte Flugzeuge, bevorzugt deutsche aus dem Zweiten Weltkrieg. Lacey ist selbst Pilot und eine Kapazität auf technischem Gebiet. Er hat ein handgroßes Gerät erfunden, den „Handheld TDR Copper Wire Tester“. Ein kleines Wunderding, mit dem Piloten herausfinden können, wo genau in den vielen Kilometern Kupferdraht ihres Flugzeugs eine winzige Stelle defekt ist. Es heißt, Glenn Lacey unterhalte Geschäftsbeziehungen bis hinauf zur amerikanischen Regierung. Andere sagen, er stehe vor dem Bankrott, seine Sammlung alter Flugzeuge sei vor einem halben Jahr vom Staatsanwalt beschlagnahmt worden.

Lacey dementiert: „Mein Unternehmen hat wie viele andere auch einige Rückschläge erlitten, aber es erholt sich langsam wieder“, als Restaurator alter Flugzeuge habe er lediglich eine Auszeit genommen. Laceys Unternehmen „Phoenix Aviation and Technology“ steht im Telefonbuch. Unter der angegebenen Nummer meldet sich niemand.

Fahren wir also hin.

Die Suche nach Glenn Lacey beginnt in London, an der Waterloo Station, in Sichtweite des London Eye, eines 135 Meter hohen Riesenrads, das bei gutem Wetter einen Blick über die ganze Stadt gewährt. So ein Riesenrad sollte Berlin auch bekommen, natürlich viel größer, und als Standort schlug ein Investor das Gelände am Gleisdreieck vor. Ein Streifen mitten auf dem Gelände des Technikmuseums. Der Besitzer, die Imobiliengesellschaft Vivico Real Estate, hatte keine Einwände gegen das Projekt.

Die Museumsleute protestierten. Der schöne Rosinenbomber an der Fassade ihres Museums wäre im Schatten einer gigantischen Touristenattraktion kaum noch aufgefallen, überhaupt passe der damit verbundene Rummel nicht zum Charakter des Hauses. An dieser Stelle kam Glenn Lacey ins Spiel. Die Leute vom Technikmuseum wussten um die Begeisterung und die finanziellen Möglichkeiten des Briten. Sie suchten Kontakt und baten um Hilfe. „Das war im Jahr 2004, und mein Unternehmen versprach ein sehr große Potenzial“, sagt Lacey. „Ich habe die Schenkung angeboten unter der Voraussetzung, dass es meinem Unternehmen gutgeht und die Interessen meiner Familie gewahrt bleiben.“

Das ist gut zwei Jahre her, und „Phoenix Aviation and Technology“ geht es nicht mehr so gut. Die Museumsleute, die Laceys Bonität und Kompetenz zuvor geprüft hatten, haben ihr Ziel auch ohne Zuwendungen aus Britannien erreicht. Das Berliner Riesenrad wird zwar gebaut, aber nicht am Gleisdreieck, sondern am Bahnhof Zoo.

Vom Londoner Bahnhof Waterloo sind es zu Fuß um die zehn Minuten zum Riesenrad. Nach Woking dauert es ein wenig länger, eine knappe halbe Stunde mit dem Schnellzug. Woking ist die größte Ortschaft in der Grafschaft Surrey, wo Glenn Lacey zu Hause ist und seiner Arbeit nachgeht. Seine Firma hat ihre Räume am Flughafen Fairoaks, die nächstgelegene Bahnstation ist Woking.

„Zum Flughafen?“, fragt der Mann an der Bahnhofsauskunft. „Heathrow oder Gatwick? Egal, Sie müssen erst nach London, Sie können gleich den nächsten Zug nehmen zur Waterloo Station.“ Nein, nein, der Flughafen heißt Fairoaks, dort sitzt die Firma von Glenn Lacey, das ist der Mann, von dem das Berliner Technikmuseum viel Geld haben möchte, der Flughafen muss hier ganz in der Nähe sein. „Ach, Sie meinen den Platz bei Chobham. Hey, Leute, der Mann hier kommt von einem Museum aus Berlin und will nach Chobham!“ Nachdem sich das Gelächter gelegt hat, erzählt der Herr von der Auskunft, dass Chobham eher selten von ausländischen Gästen besucht wird. „Wissen Sie, das liegt in einer Gegend, die nennen wir in England ,right in the middle of nowhere‘. Fährt ein Bus hin? „Vielleicht. Am besten nehmen Sie ein Taxi, aber das kann teuer werden.“

Es gibt einen Bus, er fährt im Stundenrhythmus. Chobham hat einen Supermarkt, eine Tankstelle und drei Plaketten für die Wahl zum „best kept village“, das englische Pendant zu „Unser Dorf soll schöner werden“. Der Tankwart kennt den Weg nach Fairoaks: „Erste Straße links, am Kreisverkehr rechts und dann immer geradeaus.“ Nach einer halben Stunde und einer sanften Rechtskurve ist der Flughafen erreicht.

Flughafen ist ein wenig übertrieben. Fairoaks ist ein Start- und Landeplatz für Privatflugzeuge, ungefähr so groß wie der Flugplatz Gatow, aber nicht ganz so zentral gelegen. Quer verstreut parken winzige Maschinen, fast alle neueren Datums. Die Oldtimer stehen in den beiden lang gezogenen Hangars, schwarz-gelb gestrichene Wellblechbaracken, die größten Gebäude des gesamten Komplexes. Dazwischen liegen eingeschossige Häuser. Die Tafel am Eingang verrät, „Phoenix Aviation and Technology“ ist in Haus A5 zu finden.

A5 ist eine langgezogene Baracke mit vielen Fenstern und einer Tür. Von Phoenix keine Spur – weil der Staatsanwalt hier war? „Phoenix ist umgezogen“, sagt die Dame im Vorzimmer, deswegen stimme auch die Nummer aus dem Telefonbuch nicht mehr. „Fragen Sie mal auf der anderen Seite des Flughafens.“ Auf der anderen Seite des Flughafens befindet sich der „Transair Pilot Shop“. „Phoenix“, sagt der Verkäufer, „die gibt es hier irgendwo. Aber sind sie nicht gerade umgezogen?“ Immerhin kennt der Mann Glenn Lacey. „Er kauft hier öfter mal ein, ein netter Mensch und erfahrener Pilot, aber ich habe ihn schon eine Weile nicht gesehen.“ Ist er heute da? „Kann sein, fragen Sie doch mal im Hangar-Café nach, das ist auf der anderen Seite.“

Die Kellnerin im Hangar-Café staunt über das neue Gesicht auf der anderen Seite des Tresens. „Woher kommen Sie?“ Aus Berlin, und wir suchen Glenn Lacey, den Eigentümer von „Phoenix Aviation“, und er hat dem Berliner Technikmuseum angeblich viel Geld versprochen. „Berlin? Ah, interessante Stadt.“ In den Raum hinein ruft sie: „Kennt einer von euch Glenn Lacey?“ Eine Dame kommt zum Tresen, sie sieht ein bisschen aus wie Camilla Parker Bowles. „Gehen Sie doch zu Phoenix, das ist seine Firma.“ Vorbei am Hangar, zum Ausgang, das erste Gebäude mit den drei Betonstufen. „Sie müssen klopfen, an der Tür ist kein Schild.“ Hat „Phoenix“ Probleme? Ist Lacey heute in Fairoaks? Camilla schüttelt den Kopf. „Glenn ist nicht da. Fragen Sie Lizz, die hilft Ihnen weiter.“

Das mit Lizz wird nichts, sie arbeitet inzwischen woanders. Dafür ist Tony da. Tony ist ein freundlicher Mann Anfang vierzig, er hütet das Büro von Phoenix. Wissen Sie etwas von einer Spende für das Berliner Technikmuseum? „Ja, davon habe ich mal was gehört, aber darum hat sich Glenn allein gekümmert.“ Aus dem Regal holt Tony einen roten Prospekt, der die Vorzüge des „Handheld TDR Copper Wire Tester“ preist. Kein Klopfen, Hämmern, Stimmengewirr stört die Stille. Produziert wird hier offensichtlich nicht. Nicht mehr?

Und wo sind Laceys Flugzeuge – konfisziert von der Staatsanwaltschaft, wie in Berlin kolportiert wird? „Sie lagern in verschiedenen Hangars in der Umgebung“, sagt Tony. „Die Firma GLM, die alte Flugzeuge restauriert, hat Glenn verkauft“, aber das Stammgeschäft laufe gut. Warum ist es so schwer, mit Glenn Lacey in Kontakt zu kommen? „Ist es das?“ Tony wirkt erstaunt. „Also, ich sehe ihn von Zeit zu Zeit.“ Nein, mit einer Telefonnummer sei das schwierig, sagt Tony, aber er kenne da jemanden, der einen anderen kennt, „lassen Sie doch mal Ihre Nummer da, vielleicht lässt sich was machen. Und viel Glück mit Ihrem Museum!“

Auf dem Weg zurück nach Chobham fängt es an zu regnen. Der Bus nach Woking ist gerade weg, aber die Haltestelle ist überdacht. Der Regen wird stärker, plötzlich klingelt das Telefon. „Guten Tag, mein Name ist Glenn Lacey, ich habe gehört, Sie wollten mich sprechen.“ Pause. Ähm ja, Mr. Lacey, das ist ja eine ziemliche Überraschung, Sie sind ja nicht so einfach zu finden, ganz Berlin ist auf der Suche nach Ihnen . . . Warum weiß man so wenig über Sie? „Ich kümmere mich lieber um meine Geschäfte als um die Öffentlichkeit. Ist das ein Fehler?“ Nein, nein, aber in Berlin herrscht ziemliche Aufregung um die Spende, die Sie angeblich zugesagt, aber noch nicht überwiesen haben. Man zweifelt an Ihrer Integrität. Eine deutsche Firma hat angeblich einen Titel in Millionenhöhe gegen Sie erwirkt. Können Sie uns dazu etwas sagen?

Glenn Lacey hört geduldig zu und erzählt eine Viertelstunde lang über sein Unternehmen, das Technikmuseum und die geplante Schenkung. Im Ton höflich, vom Inhalt her unverbindlich. Geheimnisse mag er sich nicht entlocken lassen. Nur so viel: Aus Berlin habe er zuletzt wenig gehört und vom Kauf des Grundstücks nur aus der Zeitung erfahren. „Mancher Kommentar hat mich doch sehr überrascht.“ Was ist mit der angeblichen Beschlagnahme seiner Flugzeuge, den Forderungen in Millionenhöhe gegen sein Unternehmen? No comment. Am 17. Januar gebe es in Berlin eine parlamentarische Untersuchung, und der wolle er nicht vorgreifen.

Für ein persönliches Gespräch könne er leider auch nicht zur Verfügung stehen – zu viel zu tun, aber England sei hoffentlich auch ohne ein Treffen mit ihm eine Reise wert gewesen. „Wie sind Sie überhaupt nach Fairoaks gekommen?“, fragt Glenn Lacey zum Abschied. „Zu Fuß? Warum haben Sie nicht angerufen, wir hätten Sie gern abgeholt.“

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