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Berlin: Der Müggelsee – ein Ozean

Jochen Schümann wurde zu Deutschlands erfolgreichstem Segler – durch Training in Köpenick

Dienstagabend, Eröffnungsgala im DomAquarée mit 1000 geladenen Gästen. Der Festredner heißt einen Ehrengast willkommen: „Jürgen Schümann“. Allerdings habe er ihn noch nicht entdeckt. Jochen Schümann steht in der Menge und lächelt. Die Leute ringsum beachten ihn nicht. Gesehen werden ist eine Sache, erkannt werden eine andere. Schümann ist Deutschlands erfolgreichster Segler aller Zeiten. Er wird gern mit Michael Schumacher verglichen, was nicht abwegig ist. Andererseits hätte der Redner bei dem Formel-1-Star bestimmt nicht „Manuel Schumacher“ gesagt.

Später am Abend bekommt Ehrengast Schümann den gerade erfundenen „Berlin Award – Menschen für die Stadt“ verliehen. Er nimmt ihn neben seiner Yacht „Alinghi“ entgegen, die von der französischen Küste nach Berlin gebracht wurde, wo sie bis zum 16. Mai besichtigt werden kann. Mit der „Alinghi“ hat Schümann im vorigen Jahr den America’s Cup, die renommierteste Regatta der Welt, gewonnen. Am Montag wird ein Lkw kommen und das unbezahlbare Schiff nach Valencia bringen.

Schümann, der seine Karriere als Elfjähriger auf dem Müggelsee begann, wird ihm folgen, um sich am Mittelmeer auf den America’s Cup 2007 vorzubereiten. Zurzeit wohnt er in Bayern, verbringt Bürotage beim Team in Lausanne und segelt höchstens mal mit Bekannten. In Berlin sei er „so oft es geht“, also „zu selten“, sagt der 49-Jährige, dessen Bräune für die Jahreszeit vielleicht eine Idee zu dunkel ist. Aber er sieht so beneidenswert aus, wie es den wenigen Menschen vorbehalten ist, die weder aufs Geld noch auf ihre Figur achten müssen. Hinter dem Alinghi- Projekt steckt ein Schweizer Milliardär.

So einer fehlte, als Schümann noch mit seinen Vereinskameraden Bernd Jäkel und Thomas Flach vom SC Berlin- Grünau segelte. 1996 haben sie zum dritten Mal olympisches Gold geholt, „aber für die Siegprämie belächeln einen die Kollegen“, erinnert sich Jäkel. Und fügt hinzu, dass sich jetzt eher die wegen des Trainings ausgefallenen Arbeitszeiten bei der Rentenberechnung bemerkbar machen. Aber Jäkel bereut nichts, obwohl die Zeit an Bord hart war. „Thomas Flach und ich waren immer ein bisschen entspannter als Jochen. Der brauchte längst keinen Trainer mehr.“ Dieser Ehrgeiz, der an Besessenheit grenzt, macht Jochen Schümann wohl so erfolgreich. „Müggelsee reicht“, lautete sein Trainingsgrundsatz in den Zeiten, in denen er mindestens eine internationale Regatta pro Jahr gewann. Jetzt sagt er, man müsse schon raus aufs Meer, aber richtig segeln lerne man nicht erst auf dem Ozean, sondern durchaus in Köpenick. Berlin bleibt seine Heimat – auch wenn es der Stadt seiner Jugend bei jedem Besuch weniger ähnelt. „Bei manchen Sachen fragt man sich, ob die unbedingt weg müssen“, sagt Schümann und schaut vom Dom-Aquarée zum Palast der Republik. „Dafür, dass der seit zehn Jahren eine Ruine ist, sieht er doch noch gut aus.“ Aber wirklich empören kann ihn so etwas nicht.

Am 20. Juli wird Schümann wieder in Berlin sein. Bei seinen Clubkameraden, die ihn zum Kommodore ernannt haben – die höchste Ehre im Verein. Er wird auf dem Müggelsee segeln. Vom Ufer wird man ihn beobachten können. Aber Gedränge ist nicht zu erwarten. Schümi ist eben nicht Schumi. Segelboote machen keinen Lärm. Segler schon gar nicht.

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