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Berlin: Der Müll hat viele reich gemacht

Bandenmäßiger Betrug und illegale Abfallverklappung: Hintermänner und Komplizen des Skandals stehen vor Gericht

Potsdam - Es ist der Auftakt für eine ganze Reihe von Prozessen wegen illegaler Müllverklappung in Brandenburg, in dessen Folge erstmals die Hintermänner und Komplizen vor Gericht kommen. Vor dem Potsdamer Landgericht wird derzeit der wohl größte Müllskandal der vergangenen Jahre verhandelt. Angeklagt ist der 56-jährige Bernd R. aus Belzig, auch Müllpate genannt. Der Ex-Polizist hat ein umfassendes Geständnis abgelegt. Die Beweislast war erdrückend. Demnach hat er zwischen 2005 und 2008 unerlaubt gefährliche Abfälle in ehemaligen Altdeponien im Landkreis Potsdam-Mittelmark verklappt – insgesamt rund 145 000 Tonnen. Das sind 270 000 Kubikmeter Verpackungsabfälle, aber auch Bauabfälle aus Teer, Kohle, Bauteile aus elektrischen Geräten sowie Medizinmüll. Der Schaden wird auf 73 Millionen Euro beziffert, so teuer wäre die Sanierung der verseuchten Deponien. Am heutigen Donnerstag wird der langwierige Prozess fortgesetzt, 38 Verhandlungstage sind bislang angesetzt. Allein die Hauptakte ist 7000 Seiten stark. Mitangeklagt ist der 49-jährige Frank N., ein Gehilfe des Müllpaten.

Wie Ermittler berichten, ist Bernd R. nicht nur der bekannteste, sondern auch ein typischer Fall. Einer, der in kurzer Zeit viel Geld machen wollte. In seinem Geständnis stellte sich R. als Wendeverlierer dar: In der DDR machte er als Polizist Karriere, 1996 musste er wegen seiner früheren Stasi-Tätigkeit den Dienst quittieren und als Lastwagenfahrer bei einer Recyclingfirma anheuern. Ein Abstieg. Nach kurzer Arbeitslosigkeit machte er sich selbstständig – der Start einer neuen, vielversprechenden Karriere. Mit seinem Unternehmen sollte R. frühere Müllkippen und Kiesgruben rekultivieren. Stattdessen ließ R. neuen Müll illegal unter dem Erdreich verschwinden. An einigen Deponien sind bereits gefährliche Schadstoffe im Grundwasser nachgewiesen worden.

Damit machte R. im Laufe der Jahre viel Geld, insgesamt 4,37 Millionen Euro. Ärger gab es mit den Kontrolleuren der Kreisbehörden nie. Die entlassene Wusterwitzer Bauamtsmitarbeiterin warnte R. stets rechtzeitig und bekam wöchentlich Bargeld für ihre Dienste.

Profitiert haben viele. Deshalb zieht der Prozess gegen den Müllpaten weite Kreise. Die Staatsanwaltschaft ermittelt auch gegen die Ehefrau und die Tochter von Bernd R. wegen des Verdachts der Geldwäsche. Sie haben die Einnahmen aus der Müllverklappung in den Kauf von Waldgrundstücken gesteckt und mit Holz Geschäfte gemacht. Überdies sind offenbar aus Furcht vor den Ermittlungen mehrere 10 000 Euro in einer Firma der Tochter geparkt worden. Ein Kreditinstitut hatte den Behörden den Finanztransfer gemeldet. Weil die 50-jährige Ehefrau auch Polizistin ist, läuft gegen sie zudem ein Disziplinarverfahren.

Die Spuren des Skandals führen bis nach Sachsen-Anhalt und Thüringen. Dort wird gegen Transportfirmen ermittelt, die den gefährlichen Müll auf die Deponien südwestlich von Berlin gebracht haben sollen. Gegen den Rechtsanwalt des Müllpaten wird wegen des Verdachts der Beihilfe ermittelt – er drohte skeptischen Deponie-Mitarbeitern mit Klagen. Sogar die Hintermänner müssen mit Urteilen rechnen, jene Müll-Makler, die Kasse machten und lukrative Aufträge besorgten. Über Jahre hatten sie willige Männer wie den Müllpaten Bernd R. mit dem Versprechen auf schnelles Geld in der Hand – und damit für eine Reihe von Müllskandalen in der Mark gesorgt. Einer der Hintermänner steht am Mittwoch nächster Woche wegen bandenmäßigen Betrugs vor dem Landgericht.Alexander Fröhlich

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