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Berlin: Der neue Chef und die alten Versprechen Ein Buhmann von Adel

BVG-Chef Graf von Arnim ist seit einem Jahr im Amt – und macht sich als Sanierer bei seinen Mitarbeitern unbeliebt

Vorstandschef Andreas Graf von Arnim (oben vor einem neuen Wasserstoff- Bus) wird sich in nächster Zeit vor allem mit einem Thema beschäftigen, dass er von den Politikern der beiden großen Parteien geerbt hat. Die nämlich machten den Mitarbeiten Mitte der neunziger Jahre weitreichende Zusicherungen.

Wenige Wochen vor den Abgeordnetenhaus-Wahlen 1995 schickte die CDU den Regierenden Bürgermeister Diepgen zu einer großen Betriebsversammlung im Bus-Betriebshof Müllerstraße, die SPD Sozialsenatorin Stahmer. Beide Politiker wurden für diese Zusicherung von 7000 Fahrern und Schlossern beklatscht. Das war am 11. September 1995 (Foto rechts). Zwei Wochen später gab es trotz dieser Garantie aus der Politik den großen Streik, fünf Stunden lang stoppte die Gewerkschaft ÖTV aus Angst vor Kündigungen alle Busse, alle Bahnen – Berlin stand still. 1996 wurde dann der „Tarifvertrag Konsolidierung“ geschlossen, der Kündigungen unmöglich machte. Der BVG-Vorstand lockte seine Leute dann mit Abfindungen aus dem Betrieb heraus. Zunächst wurde das Ausscheiden mit 40000 Mark versüßt, später sogar mit bis zu 100000 Mark. Doch den goldenen Handschlag nutzten die Falschen: Vor allem Fahrer gingen, kaum einer aus der Verwaltung. 1995 gab es noch 20000 BVGer, heute sind es noch 12000; Ende 2007 sollen es nur noch 6000 sein.Ha/ Fotos: Ullstein/Jörn Hasselmann

Nein, „angekommen“ ist BVG-Chef Andreas Graf von Arnim bei „seinen“ Mitarbeitern noch nicht. Vor einem Jahr hat er seinen Job angetreten, wohl einen der schwersten Chefposten in Berlin. Doch als er vor kurzem bei einer Dienstversammlung den Mitarbeitern der Berliner Verkehrsbetriebe zurief: „Ich bin ein BVGer“, erntete er gellende Pfiffe. Er soll ja auch vor allem ein Sanierer sein. Und das ist mit dem Abbau von Arbeitsplätzen verbunden – und mit Lohnverzicht bei den Mitarbeitern, die bleiben dürfen.

Von Arnim hat es bisher nicht geschafft, die Mitarbeiter von seinem Sanierungskonzept zu überzeugen. Dabei wiederholt der BVG-Chef seit Monaten den Spruch: „Wir haben 30 Prozent zu viel Personal, und die notwendigen 70 Prozent erhalten 30 Prozent zu viel Geld.“ Deshalb will von Arnim das Personal drastisch verringern. Sein Kurs wird vom Senat gestützt. Dort lobt man ihn – weil er sage, was schief geht, und gegensteuere.

Von Arnim steht auch unter Druck, da er dem Senat Ende Oktober ein Konzept zur Rettung der BVG vorlegen muss. Der Betriebswirt war von Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) zur BVG geholt worden. In seinem ersten Jahr hatte von Arnim auch zahlreiche Projekte vorgestellt – bis zur „Team AG“ für Mitarbeiter, die sich selbstständig machen sollten. Und auch den Fahrgästen hatte er viel versprochen. Doch weder der Kauf von Fahrscheinen noch die Fahrplanauskunft über das Handy sind bisher verwirklicht worden. Dafür lässt von Arnim an Projekten arbeiten, die nicht mit der S-Bahn abgestimmt sind. Dazu gehören der elektronische Fahrschein und der Verkauf von Tickets per Internet.

Beim Ausgeben von Geld hat von Arnim ohnehin nicht immer auf den Cent geachtet. Er stellte in den höheren Gehaltsgruppen neue Leute ein, deren Notwendigkeit umstritten ist. Für den Aufbau des neuen „Kommunikationsmanagements“ holte er die ehemalige Bahnsprecherin Anfried Baier-Fuchs ins Haus. Berater gehen bei der BVG ohnehin ein und aus. Auch von Arnim arbeitete einst für ein solches Unternehmen.

Bemängelt worden war auch die Dienstreise des Vorstands zu einem Kongress in Madrid. Auf Kritik war zudem ein zweitägiges Treffen von 70 Führungskräften in einem Hotel in Brandenburg gestoßen, wenn es auch die BVG insgesamt nicht ärmer machte.

Auf rund 700000 Euro Kosten blieb von Arnim jedoch bei dem von ihm initiierten Expressbus zum Flughafen Schönefeld sitzen. Er hatte ihn gegen den Rat von Experten eingeführt – jetzt wird die Verbindung mangels Nachfrage eingestellt.

Von Arnim will trotzdem bei den Mitarbeitern noch ankommen. Einmal im Monat plant er nun Treffen mit „seinen“ Leute auch außerhalb der Hauptverwaltung – zu Gesprächen von BVGer zu BVGer. Seinen Saniererkurs will er aber unbeirrt fortsetzen.

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