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Sieht doch schon viel lockerer aus: Michael Müller, hier bei der Gartenausstellung im September, hat sich für den Wahlkampf wohl professionelles Coaching geholt - das vermutet der Politologe Gero Neugebauer.

© dpa

Der neue Regierungschef von Berlin im Politologen-Check: Michael Müller ist locker geworden

Gero Neugebauer von der FU erwartet, dass Michael Müller sich stark wird profilieren müssen, in Berlin und außerhalb. Doch dann könne er für die SPD 2016 Wähler dazugewinnen. Und war die Wahl jetzt eigentlich demokratisch?

Da kommt einiges auf den Neuen zu. „Als Regierender Bürgermeister muss Michael Müller Repräsentant und Kommunikator sein – für beides war er bislang nicht gerade bekannt“, sagt Gero Neugebauer, Politikwissenschaftler der Freien Universität, Parteienexperte – und SPD-Mitglied. Der Experte ist aber zuversichtlich, dass der bislang eher als verlässlicher, aber trockener Sacharbeiter bekannte Müller am neuen Amt wachsen wird.

Der Politologe meint sogar, dass der bislang eher unscheinbare designierte Wowereit-Nachfolger seiner Partei bei der nächsten Abgeordnetenhauswahl 2016 vielleicht sogar zu einem Stimmzuwachs verhelfen könnte. „Wenn er es schafft, nicht nur der adrett gekleidete Erlediger zu sein, sondern den Bürgern auch eine Geschichte präsentieren kann, wieso sie ihn wählen sollen, dann könnte er die SPD aus ihrem Tief holen.“

"Müller verkörpert das Berliner Bürgertum"

Bei der vergangenen Abgeordnetenhauswahl war die SPD nur auf 28,3 Prozent gekommen, 2,5 Prozentpunkte weniger als bei der Wahl davor. Im Wettstreit mit der CDU, die 2011 noch bei 23,3 Prozent lag, aber inzwischen die SPD in den Umfragen überholt hat, könnte Müller seiner Partei auch durch seine wenig glamouröse Art helfen, meint Neugebauer. „Er hat zwar nicht die Erfahrung und das Image von Klaus Wowereit, aber Müller verkörpert das seriös auftretende Berliner Bürgertum, ebenso wie Frank Henkel.“

Gero Neugebauer, Doktor der Politikwissenschaft an der FU Berlin - und SPD-Mitglied.
Gero Neugebauer, Doktor der Politikwissenschaft an der FU Berlin - und SPD-Mitglied.

© Freie Universität Berlin / dpa

Daher dürfte Müller im SPD-internen Wahlkampf der vergangenen Wochen auch die meisten Stimmen der „schweigenden Mehrheit“ in seiner eigenen Partei auf sich vereint haben, sagt Neugebauer. Wenn es der neue Regierende Bürgermeister jetzt schaffe, in den kommenden zwei Jahren „unaufgeregt, stetig und erfolgreich“ zu arbeiten, dann könne er 2016 im Wahlkampf „querbeet fischen“, sprich: auch Wähler  gewinnen, die mit Wowereits Art ihre Probleme hatten. Bis dahin muss sich Müller allerdings nicht nur als Problemlöser bei Themen von BER bis Wohnungsmangel beweisen, sondern vor allem seine Bekanntheit bei den Berlinern steigern, sagt Neugebauer. „Ob damit dann auch seine Beliebtheit steigt, sei dahingestellt.“

Ungewöhnlich locker und lebendig

Allerdings habe der lange als spröde geltende Müller in letzter Zeit „offenbar ein professionelles Coaching gehabt“. Zumindest habe er bei den Mitgliederforen ungewöhnlich locker und lebendig agiert. Das könne ihm in den Augen der Berliner, die ihn jetzt erst kennenlernen, nur helfen. Und auch gegenüber den Ministerpräsidenten der anderen Länder werde sich Müller fleißig profilieren müssen, um als Berliner Vertreter ernst genommen zu werden.

Zum Schluss eine interessante Frage fürs Politikseminar: Ist es eigentlich wirklich demokratisch, wenn die Stimmen von 6353 Sozialdemokraten darüber entscheiden, wer eine Stadt von 3,5 Millionen Einwohnern regiert? Neugebauers Antwort ist so knapp wie eindeutig: „Ja.“ Abschließend gewählt werde Müller ja vom Abgeordnetenhaus, das durch eine demokratische Wahl zustande gekommen ist. Dadurch hätten die Bürger Entscheidungen wie jetzt die über den Wowereit-Nachfolger ans Parlament delegiert. Auch, wenn sie 2011 vielleicht nur die SPD gewählt haben, weil damals Wowereit auf dem Plakat war. Neugebauer sagt: „Das gehört eben zu den Unwägbarkeiten der Demokratie.“

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