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Berlin: Der Preis der Musik

18 Musiklehrer in Mitte verlieren ihre Stelle. Sie sollen durch kostengünstige Honorarkräfte ersetzt werden

Die Nachricht traf die 18 fest angestellten Lehrer an der Musikschule Fanny Hensel im Bezirk Mitte wie ein Schlag: Am Freitag wurde ihnen mitgeteilt, dass sie zum Ende des Jahres nicht mehr ihre Arbeit machen dürfen. Sie sind schlicht zu teuer. Dem Bezirk stehen 2008 etwa 24 Millionen Euro weniger im Haushalt zur Verfügung als noch im Vorjahr. Mitte hat sich bisher die vergleichsweise teuren festangestellten Musiklehrer geleistet und auf Honorarkräfte an ihrer Stelle verzichtet. Dadurch musste der Bezirk Personalkosten in Höhe von 180 000 Euro selber tragen. „Bisher konnten und wollten wir das durch Quersubventionierung auch“, sagte Bildungsstadträtin Dagmar Hänisch (SPD). Angesichts der Haushaltslage sei dieser Einschnitt nun aber unvermeidlich. Bisher entgingen dem Bezirk Zuweisungen vom Land. Die bekommen die Bezirke, die besonders gut sparen. Sparen würde in diesem Fall heißen, Honorarkräfte zu beschäftigen, die etwa zwei Drittel eines festangestellten Lehrers kosten. Und genau das soll zum Januar 2008 auch geschehen. Die Musiklehrer dagegen kommen in den Stellenpool des Landes und sollen von dort weitervermittelt werden. In dieser Zeit werden sie voll bezahlt, sollen aber nicht unterrichten dürfen. Einen Plan, wie sie möglichst schnell wieder unterkommen, gibt es derzeit nicht. Aktuell warten im Stellenpool zehn Musiklehrer auf eine neue Beschäftigung. „Wir werden geparkt“, fürchtet einer der 18, der namentlich nicht genannt werden möchte. Gestern tagte der Kulturausschuss, die Bezirksverordnetenversammlung soll am Donnerstag kommender Woche zustimmen.

„Wenn das passiert, ist das eine Katastrophe“, reagierte der Kulturstadtrat von Pankow, Michail Nelken (Linke), auf die Nachricht. Er selbst ist gezwungen, 4,5 der 34 festen Stellen in seinem Bezirk abzubauen. Weil andere Bezirke mit weniger Festangestellten ihre Musikschulen günstiger betreiben, bekommt Pankow keine Zuweisungen und hat schon jetzt ein Defizit von 1,9 Millionen bei den Musikschulen. „So wird eine Spirale in Gang gesetzt, die ins niedrigste Niveau zwingt“, fürchtet Nelken. Die Musikschulen in den Ostbezirken arbeiten traditionell mit mehr festen Stellen als die in den westlichen Bezirken. Auf Landesebene wird die Arbeit der Musiklehrer, auch wenn sie teuer ist, gewürdigt. Schon im März monierte Kulturstaatssekretär André Schmitz in einem Interview mit dieser Zeitung, dass die Bezirke die Musikschulen „kaputtgespart“ hätten.

Manche der 3800 Musikschüler im Bezirk werden sich im Januar auf neue Gesichter einstellen müssen. Zu Einschnitten werde es aber nicht kommen, versprach Stadträtin Hänisch. Der Lehrer dagegen fürchtet Qualitätseinbußen. „Die meisten von uns geben selbst Konzerte. Wir können die Aufgaben ganz anders angehen“, sagte er. Hänisch sieht das nicht so dramatisch und verweist auf die Sieger im Wettbewerb „Jugend musiziert“. Im Bundesvergleich kämen die meisten aus Berlin. „Und hier haben wir schon zu 90 Prozent Honorarkräfte“, sagte sie.

Dennoch: „Je mehr freie es gibt, desto mehr braucht man auch einen Stamm von festen Mitarbeitern“, findet die Steglitz-Zehlendorfer Kulturstadträtin Cerstin Richter-Kotowski (CDU). Ihr Bezirk beschäftigt derzeit sieben Festangestellte, vier davon als Fachbereichsleiter. Zwei weitere werden für 2008 gesucht, das wäre eine Chance für die Lehrer im Stellenpool. Viele jedoch werden ihr Heil in der Selbstständigkeit suchen, glaubt der Lehrer. „Aber dann können wir nur einen Preis nehmen, der nur noch von Gutverdienenden bezahlt werden kann“, warnt er. Matthias Jekosch

Matthias Jekosch

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