zum Hauptinhalt

Berlin: Der Protest für preiswerte Ortsgespräche begann als Predigt 1975 initiierte die Pastorin Helga Frisch die Aktion billiges Telefon.

Lokale Call-by-Call-Gespräche? Natürlich findet sie die „sehr gut“

Nun, beim Ortsgespräch schon der Telekom untreu geworden, am ersten Tag, an dem das flächendeckend möglich war? Ein so genanntes Callby-Call-Gespräch von Grunewald nach, sagen wir, Friedrichshagen geführt, bei freier Wahl des Anbieters? Helga Frisch muss verneinen. Nicht bei dem Sondertarif, den sie gewählt hat. Aber natürlich findet die ehemalige Pfarrerin, die Mitte der 70er Jahre die „Aktion billiges Telefon“ ins Leben rief und dem damaligen Bundespostminister Gscheidle die Stirn bot, die brandneue Wahlmöglichkeit „sehr, sehr gut“. Allzu lange hat sie darauf warten müssen.

Nicht, dass sie noch aktiv für längere Zeittakte und billigere Tarife kämpfte, aber aufregen kann sie sich weiterhin über die Telekom, mit der der alte Kampf dann 1996 neu aufgeflammt war. Und unabhängig von den Erfolgen war es rückblickend für sie persönlich eine großartige Erfahrung, von der sie noch heute gerne erzählt.

Angefangen hatte alles mit einer Predigt in ihrer Grunewald-Gemeinde zum Volkstrauertag 1975. Da griff sie auch Pläne der Post an, bei Ortsgesprächen erstmals die Gesprächsdauer auf vier Minuten pro Gebühreneinheit zu begrenzen. Spontan kamen hinterher viele Gottesdienstbesucher auf sie zu, ja, unerhört, diese Post, es sei ganz richtig, was sie da gesagt habe, und sie solle doch was machen. Ja, und das hat sie dann getan, rief Freunde, Bekannte an, bis sich eine Gruppe von Gleichgesinnten zusammengefunden hatte. Deren Kopf wollte sie gar nicht sein, dachte mehr an gemeinsames Auftreten in der Öffentlichkeit, aber da die anderen damit zögerten, musste sie eben ran und im SFB vors Mikrophon. In den zwei Stunden danach hatte sie 60 Anrufe, erste Andeutung der enormen Mobilisierung, die sie als Telefonpfarrerin erreichen sollte.

300 000 Flugblätter wurden gedruckt und in den West-Berliner Gemeinden vor dem Gottesdienst verteilt. Bald kamen Initiativen in anderen großen Städten dazu, Unterschriften wurden gesammelt, 150 000 allein in Berlin, 450 000 im übrigen Bundesgebiet. „Helga, du schaffst das“, klang es ihr in Fußgängerzonen entgegen. Kranke und behinderte Menschen, für die das Telefon die billigste und leichteste Verbindung zur Außenwelt war, würden nun unter „Zeitdruck“ gesetzt und isoliert, so lautete ein Hauptargument der Telefonrebellen, die sich zu guter Letzt durchsetzten: Die Post verlängerte den Zeittakt auf acht Minuten und verzichtete in Berlin bis 1992 darauf völlig.

Vier Jahre später empörte Helga Frisch sich erneut, diesmal gegen die Tarifpolitik der Telekom. 750 000 Unterschriften wurden gesammelt. Mittlerweile ist die streitbare Pfarrerin pensioniert, arbeitet ehrenamtlich, schreibt Bücher. Soeben in Arbeit: „Vom Seitensprung zur Dreierbeziehung“. ac

-

Zur Startseite