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Berlin: Der Rapper, der Präsident und das Kopftuch

Jeden Montag im Tagesspiegel: ein Rückblick auf die in Berlin erscheinenden türkischen Zeitungen. „Tür an Tür mit dem 73-jährigen Mörder“, titelte die Hürriyet am Donnerstag auf der ersten Seite ihrer Europabeilage.

Jeden Montag im Tagesspiegel: ein Rückblick auf die in Berlin erscheinenden türkischen Zeitungen.

„Tür an Tür mit dem 73-jährigen Mörder“, titelte die Hürriyet am Donnerstag auf der ersten Seite ihrer Europabeilage. Gemeint war damit der Rentner Werner P. aus Köpenick, der den 33-jährigen Rapper Atilla Aydin am 13. Juni erstochen hatte. Vor kurzem ist bekannt geworden, dass der Mann seit dem 2. Juni auf freiem Fuß ist, weil er einen festen Wohnsitz hat und keine Fluchtgefahr besteht. Der Prozess gegen ihn wegen Totschlags wird im Februar beginnen. Hürriyet besuchte – wie zuvor schon der Tagesspiegel – die Familie des Opfers, die empört ist, dass der Mann frei herumlaufen darf. „Ich habe keine Angst vor ihm“, sagte Christine Fehrmann, die Mutter von Aydins kleinem Sohn. Die Großeltern Aydin hätten einen Schock erlitten, als sie von der Nachricht erfuhren. „Jeder soll mein Schluchzen hören. Jeder soll erfahren, was Ungerechtigkeit ist“, sagte die Mutter.

Aufsehen verursachte auch der Besuch von Bundespräsident Johannes Rau im Bildungswerk in Kreuzberg, wo viele junge Türken eine Ausbildung absolvieren oder umgeschult werden. Darüber berichtete Hürriyet auf der Titelseite ihrer Berlin-Beilage, die der Hauptausgabe jeden Mittwoch beigefügt wird. „Er hat den Schülern aus seinem Alltag erzählt“, schrieb das Blatt.

Ein Ereignis übertraf jedoch alle anderen Themen. Am Mittwoch und Donnerstag glichen die Titelseiten der Hürriyet, Milliyet und Türkiye bunten Sonderseiten. Der Grund: Die Türkische Republik ist 80 Jahre alt geworden. Auf den Titelseiten war zu diesem Anlass ein großes Bild des Staatsgründers Atatürk zu sehen, außerdem wurde seitenweise über die Aktivitäten zur Republik-Gründung berichtet. „Freudenfeste überall“, schrieb Hürriyet in ihrer Europabeilage dazu. In Berlin fand die Feier am vergangenen Donnerstag im Hotel Adlon statt. Der neue Botschafter Mehmet Ali Irtemçelik lud zum Empfang mit Häppchen, Sekt und Wein ein und mehrere hundert Gäste drängten sich im Ballsaal des Hauses. Als der Gastgeber zusammen mit seiner Gattin die Botschafterin von Brunei begrüßen wollte, stürzten sich die Fotografen auf das Motiv. Hürriyet erklärte den Grund: „Sie war die einzige Frau mit Kopftuch.“ Unter den Gästen waren auch Berliner Politiker wie Schulsenator Klaus Böger (SPD) und Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD), der mit seinem Spruch „Es lebe die Türkei“ (auf Türkisch) viele zum Lachen brachte. Der über die Bonusmeilen-Affäre gestürzte Grüne Politiker Cem Özdemir sagte zu Milliyet: „Ich habe meine Lektion gelernt.“

Suzan Gülfirat

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