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Berlin: Der „Rat der Bademeister“ geht auf die Barrikaden

Zwölf gegen den Senat: Die Bezirksbürgermeister wollen der Entmachtung durch die Hauptverwaltungen nicht länger zusehen

Jetzt ist Schluss, sagt Neuköllns Bürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD). Vom Senat werde ständig Bürgernähe propagiert, doch tatsächlich würden kommunale Aufgaben immer mehr zentralisiert und die zwölf Bezirke entmachtet. Dagegen müsse man sich wehren. Das sieht auch Spandaus Bezirkschef Konrad Birkholz (CDU) so. Heute starten die Bezirksbürgermeister deshalb eine Kampagne.

Die Atmosphäre ist vergiftet, gestritten wird um Ausgaben und Aufgaben. Auch bei sozialdemokratischen Kommunalpolitikern herrsche „richtiger Frust“ über den Senat, sagt Buschkowsky. Die Landesregierung schießt zurück. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit und Bildungs-Staatssekretär Thomas Härtel (beide SPD) werfen den Bezirken „organisierte Verantwortungslosigkeit" sowie ein „ungezügeltes Ausgabeverhalten“ vor. „Wir sind keine verantwortungslosen Hasardeure“, kontert Spandaus Bürgermeister Konrad Birkholz (CDU).

Zu viele Dinge werden am grünen Tisch der Hauptverwaltungen von Leuten entschieden, denen die tatsächlichen Verhältnisse vor Ort völlig unbekannt sind, klagt Birkholz. Das fängt für ihn bei der Anordnung von Halteverboten an. Was den Bezirken bleibt, wenn alle Senatspläne durchgesetzt werden, ist das Auszahlen von Sozialhilfe und das Ausstellen von Fischereischeinen, schimpft Heinz Buschkowsky. Je mehr die Verwaltung an sich ziehe, desto weniger könnten die Menschen Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen. Er stößt auf zunehmendes Unverständnis bei Bürgern, die er mit berechtigten Anliegen an Zentralbehörden verweisen muss. „Wir werden bei immer geringeren Kompetenzen zu Grüßgottonkels degradiert“, klagt seine Charlottenburg-Wilmersdorfer Kollegin Monika Thiemen (SPD). Nur durch eine bürgernahe Verwaltung können die Menschen wieder Vertrauen in die Politik gewinnen, ist Cornelia Reinauer (für PDS) aus Friedrichshain-Kreuzberg überzeugt.

„Bislang kommen Vertreter anderer Millionenstädte nach Berlin und schauen sich die dezentralen Strukturen an, weil sie feststellen mussten, dass sie ihre Probleme mit einer Zentralverwaltung nicht in den Griff kriegen“, sagt Heinz Buschkowsky. Wohl nicht mehr lange. „Die Wirtschaft errichtet dezentrale Profit-Center, Berlin dagegen ein Krankenhauskombinat und einen Kitakonzern.“ Jeder Berliner Bezirk ist größer als Landeshauptstädte wie Saarbrücken, Mainz oder Erfurt, betont Konrad Birkholz. „Das Londoner Beispiel, wo es eine kleine Zentralverwaltung gibt und das tatsächliche Leben vor Ort geregelt wird, erscheint mir am sinnvollsten.“ Das Hamburger Modell einer Zentralverwaltung mit von Beamten geführten Bezirksbehörden halten die Berliner Kommunalpolitiker für wenig sinnvoll. Dafür kann sich Monika Thiemen vorstellen, dass Bürgermeister, Stadträte und Bezirksverordnete künftig als Person und nicht als Partei gewählt werden.

Mit ihrer Kampagne wollen die Bürgermeister keine sinnvollen Veränderungen verhindern, sondern eine klare Definition der Zuständigkeiten erreichen, die ihnen dann vom Senat nicht wieder nach Belieben genommen werden kann. „Wir wollen nicht nur rummeckern, sondern selbst neue Ideen einbringen“, beschreibt Cornelia Reinauer die Initiative. Wichtig sei die klare Definition, was die gesamtstädtische Bedeutung sei. Alle anderen Entscheidungen müssten mit lokaler Kompetenz gefällt werden, fordert Heinz Buschkowsky. Es gelte, ein gewisses Mindestprodukt festzuschreiben und den Rest lokalspezifisch zu gestalten, sagt Monika Thiemen. So müsse es den Bezirken überlassen bleiben, ob sie - je nach Interessenlage der Bürger - beispielsweise finanzielle Schwerpunkte eher bei den Musikschulen oder beim Sport setzen.

Unter dem Motto „Die Bezirke in Berlin - Basis und Zukunft der Stadt“ startet am heutigen Montag eine Öffentlichkeitskampagne der Bezirksämter. In jedem Monat gibt es in einem anderen Bezirk eine Diskussionsveranstaltung. Den Auftakt macht Friedrichshain-Kreuzberg mit dem Thema „Wer organisiert kommunale Demokratie? BVV und Bürgerentscheide“. Beginn ist um 19 Uhr im Nachbarschaftshaus in der Urbanstraße 21.

Nach der durch Krankenhaus- und Polizeireform bereits erkennbaren Aufteilung Berlins in vier oder fünf Regionen ist aus Sicht von Konrad Birkholz „der Zug weitgehend abgefahren“. Die Meinung der Kommunalpolitiker zähle bei der Landesregierung wenig. „Wir wissen genau, wo wir dort einsortiert werden“, sagt Heinz Buschkowsky. Im Small-Talk der Senatoren heiße der Rat der Bürgermeister längst „Rat der Bademeister“. „Jetzt können nur noch die Kreisverbände der beiden großen Volksparteien den Senat zur Räson“ bringen, ist Birkholz überzeugt.

Rainer W. During

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