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Berlin: Der Rauchmelder

Burghard von Nell kontrolliert das Qualmverbot in den Kneipen von Friedrichshain und Kreuzberg

Der Blick des Kontrolleurs wandert am leeren Tresen entlang, über Cafétische hinweg ins dunkle Hinterzimmer. Dort sitzen ein paar Leute zusammen. Man erkennt nur ihre Umrisse. Aber Burghard von Nell hat etwas gesehen, das ihn stutzen lässt, nichts Bestimmtes, nur „so eine Handhaltung“.

Es ist Samstagabend im Friedrichshainer Kneipenviertel. In der Simon-Dach-Straße sitzen die Raucher unter den Markisen und genießen die feuchtwarme Luft. Nur im „Capp and Cino“ ist noch nichts los –bis auf die Runde im Hinterzimmer. „Guten Abend, Ordnungsamt Friedrichshain-Kreuzberg. Würden Sie bitte das Rauchen einstellen.“ Burghard von Nell – groß, kräftig, weiche Gesichtszüge – spricht leise, lächelt ein wenig verlegen, wenn er jemanden in flagranti ertappt. Das Überführen von Missetätern liegt ihm nicht so sehr, eher das Beraten, Aufklären und Zureden.

Ein Mann mit langen schwarzen Haaren erklärt, man sei hier privat, „alles Familie“, aber von Nell lässt das nicht gelten. Das Hinterzimmer sei ja abgeteilt, verteidigt sich der Mann, aber der Kontrolleur vermisst eine Tür, und außerdem führe der Weg zu den Toiletten hindurch. Das sei nicht zulässig. Es wird ein Bußgeld geben, „ganz weit unten“ in der Ermessensskala zwischen Verwarnung – 35 Euro – und hohem Bußgeld – 1000 Euro. Die Wirtin wirkt einsichtig und betrübt.

Burghard von Nell ist einer von drei Mitarbeitern im „Interventionsteam Jugend- und Nichtraucherschutz“ – zuständig für rund 4000 Kneipen, Restaurants und Imbissbetriebe im Bezirk. Der Umgang mit den Wirten sei bislang „mehr als entspannt“. Rauchende Gäste sprechen die Kontrolleure selten direkt an. „Dann könnte es einen Solidarisierungseffekt geben.“ Viel zu gefährlich.

In einem Imbiss an der Grünberger Straße erspäht von Nell einen Glimmstängel. Er gehört dem Mann am Spielautomaten. Von Nell ermahnt ihn kurz, dann wendet er sich dem türkischen Wirt zu, erklärt ihm geduldig, wie sich alles genau verhält. Der Mann am Spielautomaten, 27 Jahre, Maler und Lackierer, sagt, er werde sich auch weiterhin nicht ans Rauchverbot halten. „Ich finde das affig.“ Dass nur der Wirt belangt wird, aber nicht der Gast, freut ihn sehr. „Gut zu wissen.“

Zwei Verstöße in einer halben Stunde, das ist viel. Von Nell hat in seinen Acht-Stunden-Schichten bisher selten mehr als vier Raucher ertappt. Rund zehn werden es heute bis zum Dienstschluss sein. Und das, obwohl er verqualmte Einraumkneipen konsequent ignoriert. „Das ist Berliner Linie. Wir wollen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts abwarten.“

In der „Tagesbar 69“, Warschauer Straße, stößt von Nell auf einen schwer entscheidbaren Grenzfall. Ein junger Raucher sitzt in der Kneipe, aber direkt an der frischen Luft, weil die Fensterfront komplett geöffnet ist. Von Nell bittet die Wirtin, den Raucher nach draußen zu schicken. „Setz dich bitte einen Stuhl weiter.“ Der Raucher ist irritiert, aber folgsam.

In der „Jägerklause“, einer szenigen Biergartenkneipe, lässt sich von Nell das Raucherzimmer zeigen und ist hoch zufrieden. Der Raum hat die richtige Größe – nicht mehr als 20 Prozent der Gesamtbestuhlung – ist abgeschlossen, und die Gäste müssen sich ihre Getränke selber holen. 4000 Euro plus viel Eigenleistung habe das Zimmer gekostet, sagt Geschäftsführer Tino. Jetzt sitzen alle Raucher draußen im Garten. „Die große Bewährungsprobe kommt ja erst im Winter.“

Halb Neun. Von Nell steigt in sein Auto und quert die Oberbaumbrücke. In Kreuzberg beginnt das Nachtleben später als in Friedrichshain. Im „Mazi-Café“, Wrangelstraße, zieht kalter Rauch in die Nase. An den Tischen spielen sie Backgammon. Die Aschenbecher sind gut gefüllt. Eine klassische Einraumkneipe, aber warum kleben überall Nichtraucherschilder? Bekir, der Bruder des Wirts, erklärt es so: „Als das Gesetz kam, haben wir die Schilder aufgehängt. Aber unser Anwalt sagte dann, wir könnten erst mal weitermachen wie immer.“ In der Skalitzer Straße dann noch ein Kuriosum: Ein Internetcafé mit Getränkeverkauf hat hinten im Eck ein Zimmer für die Nichtraucher eingerichtet. Von Nell zählt durch: Eins, zwei, drei, vier Leute rauchen an den Bildschirmen. Auch der Mann an der Kasse hat sich gerade eine angesteckt.

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