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Berlin: Der Regierende weist den Weg in die Zukunft

Berlin wollte immer das Paris des Ostens sein. Jetzt bekommt es seine Chance.

Berlin wollte immer das Paris des Ostens sein. Jetzt bekommt es seine Chance. Die Champs Elysées schmücken sich mit McDonalds, bald könnte auch der Pariser Platz seinen Fast-Food-Tempel haben. Das ist ein weiterer Geistesblitz von unser aller Regierendem, Eberhard Diepgen. Wie schon so oft, liegt er auch diesmal goldrichtig: Wer braucht überhaupt eine US-Botschaft, solange wir Big Macs mampfen dürfen?

In den meisten Fällen ist die Burger-Diplomatie viel effizienter als die des State Department. McDonalds repräsentiert in Belgrad, aber kein US-Botschafter. Jürgen Trittin speist bei McDonalds, nicht bei John C. Kornblum. McDonalds eröffnete diese Woche in Georgien, und so dürfen wir erwarten, dass im Kaukasus bald die Pax Burgerica ausbricht. Der Big Mac beherrscht Teile der Welt, von denen Bill Clinton kaum Notiz nimmt. McDonalds steht für die offene Gesellschaft und wirbt um die jungen Leute: Für zehn Minuten - die Zeit, die man braucht, um einen doppelten Cheeseburger, Pommes frites und ein Vanilla-Shake zu verdrücken - könnt Ihr teilhaben am american dream. Natürlich schmeckt dieser Traum ein wenig nach Karton und riecht nach Mikrowelle. Aber wer bringt die Verdauungstrakte von Berlinern, Pekingern, Serben und Jürgen Trittin näher an die der Kalifornier!

Diepgen weist den Weg. Schließt die US-Botschaft! Schließt überhaupt alle Botschaften! Die neue britische sieht eh aus wie ein Shopping Center. Es wäre ein Kinderspiel, ein Steak-House daraus zu machen. Da der britische Botschafter sowieso drei Viertel seiner Zeit mit Gesprächen über british beef verbringt - lasst ihn es zubereiten! Oder noch besser: Er soll es verkaufen. Italiener und Griechen verstehen sich ohnehin auf die Küchen-Diplomatie. Sie sollten ihre Kenntnisse anwenden, je früher desto besser: Berlin hat mehr schlechte italienische Restaurants als jede andere europäische Großstadt, ausgenommen Belfast. Die Japaner können ihre monströse Botschaft in Tiergarten in eine Mega-Sushi-Bar verwandeln; die Koreaner gegrillte Hunde anbieten und so gleich einen Beitrag leisten, dass Berlins Bürgersteige sauberer werden.

Zudem: Restaurants brauchen keine 30 Meter Sicherheitszone. Diepgens Vorschlag - der als Scherz diskreditiert wurde, aber wir Diepgen-Kenner wissen: In solchen Dingen lässt er nicht mit sich scherzen - löst alle Probleme auf einen Streich. Selbst ein Drive-in-McDonalds am Brandenburger Tor wäre vorstellbar. Womöglich hat Botschafter Kornblum da seine Aufgabe nicht richtig verstanden: nicht den Terrorismus am Pariser Platz zu bekämpfen oder eine amerikanische Festung zu errichten, sondern sein Land als attraktiven Partner zu präsentieren.

Warum gehen die Leute zu diplomatischen Parties? Um zu trinken, zu essen und zu reden. Das kann man im Restaurant weit besser. Kornblums Vorgänger Richard Holbrooke hat es als Friedensstifter auf die Liste der Nobelpreis-Kandidaten geschafft. Würde sich Kornblum, der die Statur eines Meisterkochs hat, auf die chicken-nugget-Mission konzentrieren, wäre ihm womöglich ein Michelin-Stern sicher. Es ist nie zu spät für unerwartete Karrieren. Dann müsste er sich am Ende noch beim Burger-Meister von Berlin bedanken.Der Autor ist Korrespondent der britischen Tageszeitung "The Times". Übersetzt von Christoph von Marschall.

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