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Berlin: „Der rot-rote Start war nicht optimal“

Die Arbeit hat begonnen, aber noch fehlt der Koalition die Souveränität, findet Linkspartei-Chef Lederer Die wichtigsten Vorhaben tragen die Handschrift der PDS, sagt er. Brandenburg rät er, Rot-Rot zu prüfen

Man hat den Eindruck, es war ein sehr holpriger Start in Rot-Rot II. Sie und die SPD waren alle bislang vor allem mit Selbstfindung beschäftigt, statt durch politische Initiativen für die Stadt aufzufallen.

Da ist was dran. Der rot-rote Start war nicht optimal. Sowohl bei der Wahl des Regierenden Bürgermeisters als auch im Umgang mit der CDU-Initiative der Biermann-Ehrenbürgerschaft wirkten wir noch nicht ganz sattelfest.

Gerade bei Biermann, dessen Ehrung die Linkspartei ablehnt, wurden Sie und die SPD von der Opposition getrieben, statt selbst das Heft in der Hand zu haben.

Ja, das ist so. Da hat sich auch die SPD verschätzt, wie weit man sich von der Symbolik des Namens Biermann lösen und tatsächlich inhaltlich über die Person Biermann reden kann. Mit dem Selbstfinden ist die SPD übrigens noch stärker beschäftigt als wir, weil ein größerer Teil der Fraktion neu ist. Da ist es normal, dass man erst einmal Erfahrungen sammelt und austauscht. Dazu gehört auch der Umgang mit der knappen Mehrheit. Da fehlt unserer Koalition noch die Souveränität – aber ich bin sicher, die wird mit der Erfahrung wachsen, dass wir auch sachlich miteinander streiten können, ohne gleich in Sorge um die Mehrheit sein zu müssen. Zumal die Opposition inhaltlich nichts zu bieten hat, außer dass sie uns ihre Stöckchen hinhält. Zum Beispiel beim Thema Integration: Da holt die CDU jetzt die ganzen alten Anträge wieder raus, die ihr autoritäres Verhältnis zur Gesellschaft zum Ausdruck bringen.

Aber gerade beim Thema Integrationsprobleme und Jugendgewalt hat Rot-Rot in letzter Zeit ja wirklich keine Lösungen für die offensichtlich großen Probleme der Stadt angeboten. Da wirken Sie im Gegensatz zur Opposition eher hilflos.

Das sehe ich anders. Die Probleme haben nicht nur kulturelle, sondern auch soziale Ursachen. Die kann man nicht einfach durch Repression lösen, das hatten wir doch schon und das ist bekanntlich gescheitert. Das nun alles wieder aus der Schublade zu holen, finde ich hilflos. Ich meine, dass unser Integrationskonzept quer über die Fachzuständigkeiten hinweg viele Möglichkeiten zur Lösung der Probleme anbietet. Dafür muss man zum Beispiel auf die Familien zugehen, sie fördern und ihren Kindern schulische und berufliche Chancen eröffnen, statt auf härtere Strafen zu setzen.

Die zweite rot-rote Regierung ist jetzt mehr als zwei Monate im Amt. Man hat den Eindruck, wie gesagt, dass sie noch nicht besonders viele politische Initiativen zustande gebracht haben. Zu Recht?

Die alles entscheidende Initiative ist die Koalitionsvereinbarung, die wir getroffen haben. Da sind alle Kernthemen drin, die wir jetzt aber nicht mit großem Radau verfolgen, sondern mit kontinuierlicher Arbeit. Zum Beispiel die Sanierung der Wohnungsbaugesellschaften…

… für die es das seit langem angekündigte Gesamtkonzept immer noch nicht gibt.

Es kann am Ende auch die Summe aller Einzelkonzepte für die Wohnungsbaugesellschaften sein, also der Versuch, die wirtschaftlichen Probleme Gesellschaft für Gesellschaft zu lösen. Wenn das geklärt ist, können wir entscheiden, welche weiteren wohnungspolitischen Ziele wir den Wohnungsbaugesellschaften setzen. Für die derzeitigen Sanierungsplanungen gelten die Vorgaben der Koalitionsvereinbarung. Das bedeutet zum Beispiel für die Wohnungsbaugesellschaft Mitte, nach passenden Erwerbern für Wohnungsbestände zu suchen.

Zum Beispiel?

Öffentliche Gesellschaften, Genossenschaften oder Kleinerwerber, aber keine Finanzinvestoren.

Und wie steht’s um die Sparkasse?

Am 5. Februar läuft die Frist für die Interessenbekundung ab. Vor uns steht die Frage: Wie sichern wir so viel wie möglich von dem roten „S“? Das wird eine sehr verantwortungsvolle Arbeit sein, soziale Dienstleistungen im Rahmen des Europarechts zu sichern. Ein drittes Thema: die öffentlich geförderte Beschäftigung…

…Ihr großes Wahlkampfthema…

…ja, aber auch da haben die Vorbereitungen zur Umsetzung begonnen. Ein erstes Modellprojekt läuft ja bereits beim Frauenverein „Paula Panke“. Zugleich versuchen wir im Gespräch mit Franz Müntefering und der Berliner Arbeitsagentur rechtliche Fragen zu klären, um die Projekte ausweiten zu können. Für unser anderes Modellprojekt, das längere gemeinsame Lernen, laufen ebenfalls viele Gespräche mit den Schulen. Bei unserer Fraktionsklausur Mitte Februar werden wir darüber diskutieren, wie sich all diese Einzelprojekte zu einem Gesamtbild von sozialer Stadtpolitik zusammenfügen.

Sie haben nach der Wahl im Herbst deutlich gemacht: Wir regieren diesmal nur mit, wenn in der Koalition unsere Handschrift stärker sichtbar wird. Haben Sie sich als Partei bislang ausreichend profiliert?

Ja, bei den genannten Projekten, an denen wir arbeiten, ist die Initiative von uns ausgegangen.

Welchen Einfluss wird die für dieses Jahr geplante Bildung der bundesweiten Linkspartei von PDS und WASG auf Ihre Arbeit haben? Wird das eine Zerreißprobe zwischen Berliner Realpolitik und bundesweiter Oppositionsrolle?

Ich halte linke Profilierung und Politik anhand der Realitäten nicht für einen Widerspruch. Und ich merke einen Bewusstseinswandel in unseren Reihen: Weil wir eine Partei werden, ist es nicht mehr so einfach, die Regierungsbeteiligung in Berlin zu einem Problem anderer Leute zu erklären. Es gibt in der Bundespartei mehr Bereitschaft, sich auf uns einzulassen.

Oskar Lafontaine hat kürzlich angekündigt, man werde Rot-Rot in Berlin stärker auf die Finger gucken und ein „Frühwarnsystem“ einrichten – haben Sie jetzt einen Lafontaineschen Wachhund an Ihrer Seite oder telefonieren täglich mit ihm?

Nein, wir treffen uns etwa einmal im Monat für zwei Stunden und sprechen über alles. Aber es läuft nicht so, dass die eine Seite Befehle erteilt, und wir folgen. Es geht darum, besser zu kommunizieren. Das ist in einer Partei normal, dass man agiert und sich über mögliche Probleme und Widersprüche austauscht.

Bei Lafontaine scheint es da noch Nachholbedarf zu geben, zum Beispiel beim bevorstehenden Verkauf der Berliner Landesbank. In öffentlichen Veranstaltungen fordert er, dass Rot-Rot in Berlin sich für eine neue Ausschreibung einsetzt, obwohl Berlin in dieser Hinsicht wegen der EU-Vorgaben keinen Spielraum mehr hat.

Hier müssen wir noch deutlicher machen, dass es eben eine EU-Auflage ist, die Bank zu verkaufen und wir höchstens über die Art des Verkaufes und die sozialen Bedingungen im Kaufvertrag mitbestimmen können. Das stellt sich Oskar Lafontaine anders vor, und wir glauben, dass seine Vorstellungen rechtlich nicht funktionieren. Aber das muss in einer Partei erlaubt sein, unterschiedliche Einschätzungen zu haben.

Ein kurzer Blick ins Nachbarland: In Brandenburg implodiert gerade die CDU, die SPD denkt über neue Regierungskonstellationen nach – soll sich Brandenburgs Linkspartei als neuer Koalitionspartner anbieten?

Das muss man strikt von Inhalten abhängig machen. Die Brandenburger Genossen sind politisch wie personell gut aufgestellt. Ob es zu einer Regierungskoalition kommt, hängt aber davon ab, ob die SPD zu einer anderen Politik bereit ist.

Also von Ihrer Seite die Empfehlung, dass sich SPD und PDS in Brandenburg mal zum Austausch treffen?

Das macht Sinn, wenn die SPD erkennen lässt, dass es ihr nicht um den reinen Machterhalt in einer bequemen Konstellation geht, sondern dass sie auch inhaltlich einsieht, dass sie sich verändern muss und andere politische Schwerpunkte setzen will. In Berlin hatten wir den Bankenskandal, der der SPD bei bestimmten Einsichten geholfen hat. In Brandenburg haben wir so etwas nicht. Zugleich muss auch die Linkspartei ihre konzeptionellen Debatten für den Fall einer Regierungsbeteiligung forcieren. Denn wie wir in Berlin gelernt haben, kommt man manchmal schneller in die Situation als erwartet.

Das Interview führte Lars von Törne

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