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Viel Stoff. Die Bühnenoutfits für Gitte Haenning (rechts) stammen von Lilli Berlin. Diese trägt selber immer nur ihre eigenen Kreationen. Foto: Doris Spiekermann-Klaas

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Berlin: Der singende Tannenbaum

Oben eng, unten ganz viel Tüll: Das sind die Kleider von Lilli Berlin. Bei ihrem Programm im Tipi trägt Gitte Haenning die voluminösen Kreationen.

Gitte Haenning kichert wie ein kleiner Junge und sieht auch so aus: Hosenträger, kariertes Hemd und die Schiebermütze, unter der blonde Ponyfransen hervorschauen. Ihr Grinsen verrät: Ätsch-bätsch, das habt ihr nicht erwartet. „Ich habe extra etwas anderes angezogen", sagt sie. Denn gemeinsam mit der Modedesignerin Lilli Berlin will sie heute über Tannenbaumkleider sprechen. Die trägt Gitte in ihrer Show „Was ihr wollt“ im Tipi und gern auch mal bei Premierenfeiern, um darin wild zu tanzen. Wenigstens hat Lilli Berlin eines ihrer eigenen Kleider an: oben eng, unter der Brust bauschen sich mehrere Lagen Tüll, die bis zu den Schuhen reichen. Wie eine Mischung aus zierlicher Puppe und Punk sieht die Designerin darin aus.

Den Erwartungen nicht zu entsprechen, ist das, was Gitte wahrscheinlich durch ihre lange Künstlerkarriere gebracht hat. Als Teenager war sie fast existenzialistisch: Viel zu lange Haare, schwarze Pullover und irgendwelche Schuhe. So trat sie in Dänemark, ihrer Heimat, auf. „In Deutschland war man nicht so weit. Es wurde ständig an mir herumgenörgelt. Für mich war es etwas merkwürdig, da ich früh meine Eigenständigkeit genossen habe.“ Gitte ist schon als Kind aufgetreten. Da musste sie sich keine Gedanken über ihr Äußeres machen: „Ich kriegte ein Bonbon, ein Kleid an und ein paar Klammern in die Haare, da waren die Nägel immer noch schwarz. Dann saß ich hinten im Auto und sagte: ’Boah, ich habe keine Lust zu singen.’ Und mein Vater, der große Troubadour, antwortete: ,Ach, du musst nur zu dir sagen: Kommen, singen, Geld und raus!’“

In Deutschland musste sie zum Bühnenbild passen. „Ich kann mich erinnern, man hat in den Sechzigern ein bezauberndes Lied für mich geschrieben, ’Mini oder Maxi’, und ich musste es in der Hitparade singen.’“ Statt einen Mini zu tragen, ging sie in Berlin einkaufen – und stand dann in einem indischen Gewand im Fernsehstudio.“

Auch Lilli Berlin war mal Sängerin. Anfang der Achtziger hatte sie mit „Ostberlin Wahnsinn“ einen Hit zu Beginn der Neuen Deutschen Welle. „Ich hatte meine dicken Stiefel, Tütü und Lederhose, ich wollte ja nicht so ein Liedchen trällern, ich wollte etwas auf der Bühne machen. Ich habe auch meine Musiker gestylt, in einem Video an der Berliner Mauer mussten sie fleischfarbene, hautenge Ballettanzüge anziehen. Das sah toll aus.“ Dann wollte die Plattenfirma sie braver, wie Nena in Minirock und Ballerinas. Da stieg Lilli Berlin aus und begann, Mode zu machen.

Wenn Gitte Lilli Berlins Tannenbaumkleider trägt, unterscheidet sie sich von vielen Kolleginnen. Die tragen oft kurze Bustierkleider, um zu zeigen, wie toll ihre Schultern und Beine noch sind. Gitte will diesen Wettbewerb nicht mitmachen. „Im ersten Teil meiner Show ’Was ihr wollt’, wenn ich Pop singe, trage ich Weiß, einen Chaplinmantel und Peter-Pan-Schuhe. Ich repräsentiere die Unschuld. Im zweiten Teil habe ich das gleiche Kleid aus schwarzem Taft an, darunter einen knallroten Tüllrock mit Netzstrümpfen und dazu hohe Stiefeletten und rote Lippen, um Sex zu repräsentieren. “

Und das ist es auch, was die beiden Frauen unterscheidet. Lilli wird man nie in etwas anderem als ihren Kleidern sehen, nie in hohen Schuhen. Bei Gitte weiß man nur, dass sie immer wieder einmal etwas anderes gemacht hat. Sie singt Schlager und Jazz, trägt hohe Schuhe oder Doc Martins, wahrscheinlich konnte die 66-Jährige nur deshalb so lange in den deutschen Hitparaden überleben. Aber vor allem ist sie am Ende immer eins: Gitte. Grit Thönnissen

Die Show im Tipi läuft vom 19. bis 21. Juni. Tickets von 25,10 bis 39,50 Euro. Infos unter 39066550

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