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Berlin: Der Sohn des Giganten

Zwischen Wannsee und Sardinien: Die entscheidenden Impulse für die Arbeit als Schauspieler erhielt Götz George, der morgen 65 Jahre alt wird, in seiner Vaterstadt Berlin. Hier hängt auch das berühmteste Kleidungssstück der „Tatort“-Geschichte: die Schimanski-Jacke

Unter normalen Umständen hätte die Jacke dringend eine Wäsche nötig, am besten gleich eine chemische Reinigung, wegen der großflächigen Blutflecken. Aber was ist an Schimanski schon normal! Ein notorischer Querkopf als Kommissar, das muss sein liebstes Kleidungsstück ja spiegeln, mittels Flecken und Knitterfalten, gerade weil es längst zu musealen Ehren gelangt ist.

Schimanskis Tatorte lagen bekanntlich im Raum Duisburg, aber seine berühmte Jacke, dazu der auf Horst Schimanski, geboren am 11. August 1947, ausgestellte Reisepass und allerlei Fanpost an sein Alter Ego Götz George werden im Filmmuseum an der Potsdamer Straße ausgestellt. Sie beschließen dort den Rundgang durch die deutsche Kinogeschichte – auch wenn die Figur ja eher dem Bildschirm entstammt.

Die Ehrung in der Berliner Vitrine ist nur logisch. Wenngleich Götz George von seinem morgigen 65. Geburtstag nicht viel Aufhebens macht, nicht zu sprechen ist und den Donnerstag fern von Berlin verbringt – hier ist er doch geboren, hier wohnt er noch immer, hier hat er seine entscheidenden künstlerischen Impulse erhalten. Nicht, dass in Berlin der Mittelpunkt seiner Arbeit läge. Den ortet Ute Nicolai, seine Agentin, eher in Nordrhein-Westfalen, weiß derzeit auch keine Berliner Projekte des Schauspielers zu nennen.

Aus Altersgründen müsste Schimanski noch lange nicht den Dienst quittieren. Er hat sich eben etwas jünger gemacht als sein Darsteller, geht erst 2012 in Pension. Götz George erblickte bereits am 23. Juli 1938 das Licht der Welt oder genauer: Zehlendorfs. Seine Eltern, das Schauspielerehepaar Heinrich George und Berta Drews, lebten damals in der Zehlendorfer Bismarckstraße 34, direkt am Südufer des Kleinen Wannsees. Die Villa gibt es noch immer, eine Gedenktafel erinnert an den berühmten Vater.

George war ein großzügiger Gastgeber, in seinem Haus gingen die Großen aus Theater und Film ein und aus. Der Schauspieler Will Quadflieg erinnerte sich später, wie er den drei Tage alten Götz in der Hand gehalten hatte. Ein „gigantischer Tagesablauf“ – morgens Film, nachmittags Theaterproben, dann Rundfunkvorträge, abends Bühne – ließ nur „wenig Familienleben“ zu, erinnerte sich Götz in Irmgard von zur Mühlens Dokumentarfilm „Wenn sie mich nur spielen lassen“ an den Vater. „Gigant“ – das Wort fällt immer wieder, wenn er von ihm spricht. Oft habe der Vater „dem Junior den Arsch versohlt“, das hatte der Sohn erzählt, als er 1992 in Nationalgalerie die Dix-Ausstellung und das Porträt seines Vaters besuchte. Nie wollte der kleine Götz – den Namen verdankt er Papas Lieblingsrolle Götz von Berlichingen – mittags ins Bett, schimpfte auf seine Mutter, die „doof“ sei und schlimmeres. Über den zeternden Bengel habe sich der Vater zwar amüsiert, aber Hiebe habe es trotzdem gesetzt, „eher eine Liebesbezeugung“, wie der zum Manne gereifte Sohn heute glaubt.

Mit dem Krieg endete das Wannsee-Idyll. Das Südufer wurde Kampflinie, bei einem Infanteriegefecht zwischen Wehrmachtssoldaten und der Roten Armee floh die Familie im Ruderboot über den See und kam in einer Siemens-Villa unter. Erst nach einer Woche ging es zurück in das eigene Haus. Die erste Durchsuchung durch Russen verlief noch glimpflich. Götz hatte gedacht, sie alle würden erschossen, aber es endete mit Gesang im Wohnzimmer. Weitere Vernehmungen folgten, Bersarin, der erste Stadtkommandant, hielt Heinrich George für politisch nicht belastet, doch nach dessen Tod und Denunziationen verschwand der Schauspieler im Gefängnis Hohenschönhausen. Dort hat ihn Götz das letzte Mal gesehen. Der Schauspieler war abgemagert, wusste wohl, dass er nicht wieder nach Hause kommen würde. 1946 ist er in Sachsenhausen gestorben.

Vier Jahre dauerte es noch, bis auch sein Sohn die Bühne betrat, als Hirtenjunge in „Mein Herz ist im Hochland“ im Hebbel-Theater. „Reizend, glücklicherweise nicht zu bewusst, meisterte er die Szenen“, schrieb Walther Karsch im Tagesspiegel über den Debütanten, der dem Vater würdig zu werden versprach.

Auch wenn Götz als Schauspieler später nie so mit Berlin verbunden sein sollte wie sein Vater – die Arbeit für Fernsehen und Film führte ihn, so oder so, doch immer wieder hierher zurück. Für den Berliner Produzenten Horst Wendland ritt George in drei Karl-May-Filmen durch Jugoslawiens Wilden Westen. In dem TV-Dreiteiler „Das Schwein“ porträtierte er den Berliner Stefan Stolze und seinen sozialen Aufstieg in der Nachkriegsgesellschaft, in Schulz & Schulz ein Ost- West-Berliner Zwillingspaar. George spielte in Frank Beyers Ganovenfilm „Der Bruch“, durchstreifte mit Corinna Harfouch in dem Erotikthriller „Solo für Klarinette“ den Schöneberger Sozialpalast und zeigte in der „Bubi-Scholz-Story“ den Niedergang des Berliner Boxidols.

Und auch der Schnorchelunfall vor Sardinien, der 1996 die Karriere Georges fast beendet hätte, fand dann in Berlin doch ein gutes Ende – im Operationssaal des Evangelischen Waldkrankenhauses Spandau.

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