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Berlin: Der SPD und der PDS laufen die Mitglieder davon

Seit 1995 verloren die Sozialisten die Hälfte und die Sozialdemokraten ein Drittel ihrer Genossen

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Die Regierungsparteien SPD und PDS schrumpfen gehörig zusammen. Die Sozialisten haben seit 1995 mehr als die Hälfte ihrer Mitglieder verloren, die Sozialdemokraten fast 30 Prozent. Beide Parteien sind stark überaltert. „Wenn der liebe Gott unsere 80-jährigen Mitglieder zu sich ruft, können wir das leider nicht ändern“, sagt PDS-Sprecher Axel Hildebrandt. Die Berliner PDS zählt jetzt noch 9630 Genossen, die SPD 16 760.

Zwei Drittel der PDS-Mitglieder sind über 60 Jahre alt, die übrigen sind meistens jünger als 30 Jahre. Dazwischen klafft eine Lücke. Die Parteiführung ist ratlos. „Die drohende Mitglieder- und Finanzkrise wird auch im Landesvorstand seit längerem gesehen, aber es fehlen praktikable Vorschläge zur Veränderung“, steht in einem Vorstandsprotokoll aus diesem Jahr. „Hinweise auf bessere Motivation und verstärkte Anstrengung reichen nicht aus.“ Der Vize-Landeschef Klaus Lederer sagt, „wir müssen uns kümmern“. Aber wie?

Der Koalitionspartner SPD hat auch kein Patentrezept gegen die Schwindsucht. Für brauchbare Ideen, die neuen Zulauf versprechen, hat der Landesvorstand einen kleinen Finanztopf eingerichtet. So planen die Jungsozialisten ein „offenes Büro“ im Stadtzentrum, um mit Bier, lockeren Gesprächsrunden und der einen oder anderen Party junge Leute anzulocken. Immerhin treten jährlich mehrere hundert Berliner zwischen 25 und 35 Jahre in die SPD ein. Aber die Summe der Austritte, Verstorbenen und Karteileichen, die aus der Mitgliederliste gestrichen werden, wiegt das nicht auf.

Nur die SPD-Kreisverbände Pankow, Friedrichshain-Kreuzberg und Mitte sind einigermaßen stabil. In diese City-Bezirke sind nach 1990 politisch interessierte, junge und aktive Leute zugezogen; oft mit Kontakt zur Bundespolitik. Davon profitieren in dieser Stadtregion vor allem die Grünen, aber auch die Sozialdemokraten. „Das ist eine neue Kultur, es finden ganz andere Diskussionen statt“, sagt der stellvertretende SPD-Landeschef Marc Schulte. „Das belebt die Partei.“ Für die PDS ist die „neue Mitte“ Berlins aber kein gutes Pflaster. Dort brechen die Mitglieder genauso dramatisch weg wie in Lichtenberg oder Marzahn-Hellersdorf. Im Westen Berlins stehen die Sozialisten ganz auf verlorenem Posten: 26 Mitglieder in Steglitz-Zehlendorf, in Neukölln sind es 58. Sie müssen sich dort fühlen wie die FDP mit ihren 64 Mitgliedern in Lichtenberg.

Die rot-rote Senatspolitik hat offenbar keinen messbaren Einfluss auf die Mitgliederzahlen. Nicht nach oben und nicht nach unten. Der langfristige Abwärtstrend wird in beiden Regierungsparteien nur durch Saisoneffekte beeinflusst. So sind im Sommer 2004 einige hundert Menschen aus Protest gegen die Hartz-Reformen in die PDS eingetreten. Aus der SPD wiederum sind einige hundert Genossen wegen Hartz IV ausgetreten. Die Sozialdemokraten sind so bescheiden geworden, dass sie sich darüber freuen, dass in den ersten vier Monaten 2005 die Mitgliederzahl um 57 nach oben ging. Vielleicht ist das ein Zufall. Vielleicht hat es auch damit zu tun, dass der SPD-Landeschef Michael Müller die Mitgliederpflege intensiviert. Er schreibt Rundbriefe an alle Genossen und lässt es zu, dass sich die Parteifreunde über Kiezprobleme und neue Grundsatzprogramme heftig streiten. Das füllt die Säle und Hinterzimmer und lässt keine Langeweile aufkommen.

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