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Berlin: Der Star sitzt im Rollstuhl

Ronny Ziesmer besuchte sein Team beim Turnfest

Die Leser des Fachmagazins „Leon“ haben ihn gerade zum beliebtesten Turner gewählt. Fasziniert hat sie seine Einstellung zum Leben. Ronny Ziesmer sitzt seit einem Jahr im Rollstuhl. Am 12. Juli 2004 landete der Kunstturner beim Olympia-Vorbereitungstraining so unglücklich, dass sein Rückgrat zwischen dem fünften und sechsten Halswirbel brach. Die Diagnose der Ärzte: Querschnittslähmung, die Chancen für eine vollständige Genesung verschwindend gering. „Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf“, sagt Ronny Ziesmer. Er wird wie ein Star gefeiert, wo immer er auftaucht.

Der 25-Jährige ist Tetraplegiker, das heißt, Arme und Beine sind von der Lähmung betroffen. Nach zehn Monaten Rehabilitation hat er das Unfallkrankenhaus Marzahn vor knapp zwei Wochen verlassen, um in seine Cottbuser Wohnung zu ziehen. Eine Herausforderung, auf die ihn die Menschen in seiner Umgebung so gut es geht vorbereitet haben. „Eigentlich soll Ronny noch gar nicht in die Öffentlichkeit“, sagt sein Medienbetreuer Eckhard Herholz. Die Turnfestwoche ist ja schon fast ein Pflichttermin für einen wie Ronny. Alte Freunde treffen, Turnhallenluft schnuppern, diese ganz besondere Atmosphäre mitkriegen. Am Dienstag volles Programm: erst den ehemaligen Turnerkollegen bei den Deutschen Meisterschaften zuschauen, danach Pressetermin beim Sponsor, am Abend noch die Aufzeichnung von Johannes B. Kerners Promi-Turnshow. Dort ist Ronny Ziesmer Jury-Mitglied.

Anderen beim Turnen zusehen, schmerzt das nicht manchmal? „Eigentlich nicht“, sagt er. „Ich liebe das Turnen immer noch. Nur weil ich einen Fehler gemacht habe, heißt das nicht, dass der Sport schlecht ist, oder ich ihn mir nicht mehr ansehen kann.“ Er sitzt da, etwas bleich, mit geröteten Augen, aber mit festem Blick. Ziesmer wirkt ohnehin sehr professionell, lächelt, beantwortet selbst intime Fragen nach kurzem Überlegen geduldig. Was er wieder lernen musste in den letzten Monaten? „Eigentlich alles, vom Zähneputzen übers Rasieren bis zum Autofahren.“ Sein nächstes Ziel ist, alleine leben zu lernen. Danach will er studieren. „Mein Wunsch war es immer, Ingenieur zu werden. Daran arbeite ich.“

Beim Deutschen Turnfest will Ronny auf jeden Fall noch das Mehrkampf-Finale der Männer sehen. Und die eigenen sportliche Ziele? „Vielleicht nehme ich bald mal an den Paralympics teil“, sagt er. In welcher Sportart, weiß er noch nicht. Bis dahin trainiert er wie früher jeden Tag hart – für sein Leben im Rollstuhl.

Juliane Schäuble

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