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Gekappt. Die Parochialkirche in der Klosterstraße ist einer der wenigen Barockbauten Berlins, der den Krieg überstanden hat. Jetzt soll der Turm wiedererstehen. Foto: Kai-Uwe Heinrich

© Kai-Uwe Heinrich tsp

Berlin: Der Stumpf wird Spitze

Die Parochialkirche soll wieder einen Turm bekommen. Der Bauantrag ist fertig.

Noch ist der Turm der Parochialkirche in der Klosterstraße ein Stumpf, mitten im Aufschwung abgeschnitten. Doch es sieht stark danach aus, dass er seine ursprüngliche Höhe wiederbekommt – 68 Meter, doppelt so hoch wie heute. Am Donnerstag präsentierten die Gemeinde St. Petri-St. Marien, der Verein Denk mal an Berlin e. V. und Architekt Jochen Langeheinecke den fertig ausgearbeiteten Bauantrag, für dessen Erstellung der Unternehmer Hans Wall 90 000 Euro und der Verein 10 000 Euro gespendet hatten. Der Antrag ist nicht nur formal, sondern auch psychologisch wichtig – damit potenzielle Spender wissen, dass es vorangeht mit den Plänen. Langeheinecke rechnet damit, dass die Bauaufsicht, der der Antrag jetzt zugestellt wird, in rund drei Monaten die Baugenehmigung erteilt.

Die Parochialkirche in Mitte, 1695–1705 errichtet, ist die jüngste der drei Altstadtkirchen und eines der wenigen erhaltenen barocken Bauwerke Berlins. Beliebt war sie wegen ihres Glockenspiels. Jede Viertelstunde erklang eine Melodie, einmal die Woche gab der Glockenist ein Konzert. Dann versammelten sich tausende Berliner vor der Kirche, um zu lauschen. Später übertrug der Rundfunk die Konzerte europaweit.

Der Bombenkrieg setzte dem ein Ende. Die Turmspitze stürzte auf das Dach der Kirche, sie blieb lange Ruine. Nach der Wende konnte das Innere gesichert werden, aber nach wie vor empfängt hier nur blankes (allerdings original barockes) Mauerwerk den Besucher. Gottesdienste finden nicht mehr regelmäßig statt. Aber diese Mauern erzählen viel Geschichte. „Ich habe kürzlich den Brief einer 80-Jährigen erhalten“, sagt Hans Wall, „deren Sohn in der Parochialkirche Glockenist war und hier im Mai 1944 konfirmiert wurde, kurz bevor er an der Ostfront fiel. Es würde ihr viel bedeuten, wenn das Glockenspiel wiederersteht.“

Die neue Turmspitze soll, anders als ihr hölzerner Vorgänger, in einer Holz-Stahl-Konstruktion errichtet werden, die mit steingrau gestrichenem Kupferblech verkleidet wird. Vier Löwen zierten einst den Turm, deren Gipsform wiedergefunden wurde, so dass auch sie zurückkehren können – ein Muster hat der Bildhauer Bernd Helmich bereits in seiner Adlershofer Werkstatt angefertigt. Und natürlich sollen auch die 37 Glocken wieder eingebaut und regelmäßig gespielt werden. Die Baukosten schätzt Langeheinecke auf 2,5 Millionen, mit Glocken auf drei Millionen Euro. Die müssen nun erst mal zusammenkommen. „Wir sind positiv gestimmt“, sagt Detlev Graf von Schwerin vom Verein – ohne allerdings konkret sagen zu wollen, wie viel Geld schon da ist. Sponsoren und Spender können den Verein im Internet kontaktieren (www.denk-mal-an-berlin.de). Auch Lottomittel sollen beantragt werden: Weil die Parochialkirche städtebaulich und kulturell bedeutend sei.

Seit mehreren Jahren engagiert sich Hans Wall, Vorstandsvorsitzender von Denk mal an Berlin, für dieses Projekt. „Sobald die Genehmigung da ist, wird gebaut“, sagt er. Heißt das, dass das Geld dann notfalls von ihm kommt? „Wo soll es sonst herkommen?“, lautet seine vielsagende Antwort. Im gleichen Atemzug betont er aber auch die Wichtigkeit von Sponsoren – und das finanzielle Engagement der 300 Mitglieder seines Vereins.

Mit dem neuen, höheren Turm könnte auch das Klosterviertel mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen, das – obwohl besser erhalten als das Nikolaiviertel und mit eigenem U-Bahnhof – viele Berliner nicht kennen. Udo Badelt

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