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DER TAG IM ABGEORDNETENHAUS Welche Debatten die Stadt bewegen: Tumult um Tempelhof

Alte Argumente, neue Emotionen: Aktuelle Stunde zum Zentralflughafen nach dem Volksbegehren

Klaus Wowereit hält sich bedeckt. Er faltet die Hände, lehnt sich zurück, schiebt manchmal die Wange mit dem Zeigefinger nach oben, zeichnet Akten ab. Das alles, sagt seine Körpersprache unmissverständlich, habe ich schon unzählige Male gehört, und ich habe ebenso oft darauf geantwortet. Als er selbst mit seiner Rede an der Reihe ist, gibt er sich einen spürbaren Ruck und antwortet erneut, wirkt genervt, ärgerlich.

Die Debatte um den Flughafen Tempelhof dreht sich seit langem auf der Stelle, alle Argumente sind bis zum Bundesverwaltungsgericht ins letzte Detail hin und hergewendet worden. Neu ist nur, dass sich 205 000 Berliner im Wege des Volksbegehrens für die Beibehaltung des Verkehrsflughafens ausgesprochen haben – das bringt neue Emotionen ins Spiel, lässt die Wogen noch einmal ein Stück höher schlagen.

Auf Antrag der CDU befasste sich das Abgeordnetenhaus am gestrigen Donnerstag also im Rahmen der Aktuellen Stunde noch einmal mit dem leidigen Thema. An der Meinung der einzelnen Fraktionen hat das Volksbegehren erwartungsgemäß nichts verändert: SPD, Linke und Grüne wollen Tempelhof noch in diesem Jahr schließen und auch den Geschäftsflugverkehr nach Schönefeld verlegen, die CDU möchte Tempelhof als Verkehrsflughafen unbegrenzt offenhalten, die FDP nur für Privatmaschinen, beide Oppositionsfraktionen votieren dafür, bis 2011 zur Eröffnung von BBI in Tempelhof alles beim Alten zu lassen.

Wie ist das Volksbegehren zu bewerten? Michael Müller, der SPD-Fraktionschef, sagte, 200 000 Berliner seien viele, aber eben nicht die Berliner insgesamt, und es sei nicht undemokratisch, wenn der Senat aus guten inhaltlichen Gründen sich die Forderungen eines solchen Begehrens nicht zu eigen mache. Er sehe einen „glatten Missbrauch“ dieses demokratischen Instruments, wenn die Opposition Abwägungen durch Emotionen zu ersetzen versuche; es handele sich um den untauglichen Versuch eines „erfolglosen Oppositionsführers“, das Bürgerbegehren zu instrumentalisieren.

Der Gemeinte, CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger, keilt in mindestens ebenso empörtem Ton zurück: „Was ist denn das für ein Demokratieverständnis?“ Man könne direkte Bürgerbeteiligung nicht nur dann wollen, „wenn man selbst gewinnt“. Tempelhof müsse zu einer „Luftbrücke der Ideen und Institutionen“ werden.

Ähnlich im Kreis herum läuft die Debatte über die Tatsache, dass der Schließungsbeschluss für Tempelhof auf den sogenannten Konsensbeschluss von 1996 zurückgeht, der von CDU-Senat, CDU-Bundesregierung sowie der brandenburgischen SPD-Landesregierung gefasst wurde. Während der rot-rote Senat betont, er tue nichts, als diese klare Beschlusslage umzusetzen, weil andernfalls die Rechtsgrundlage für den Bau in Schönefeld gefährdet sei, heißt es bei der CDU, man habe 1996 nicht ahnen können, in welchem Maß sich der Flugverkehr entwickle. Falsch, entgegnet der Regierende Bürgermeister, als er schließlich eingreift, damals hätten noch viel höhere Fluggastzzahlen zur Diskussion gestanden. Auch er habe Respekt vor dem Volksbegehren. Da der Gesetzgeber diesem aber aus gutem Grund keine Bindungswirkung gegeben habe, sei die Ablehnung des Senats auch keine Willkür.

Während sich Carola Bluhm von den Linken und Franziska Eichstädt-Bohlig (Grüne) den SPD-Argumenten anschließen, läuft sich Martin Lindner von der FDP warm, der sogleich die Linkspartei ins Visier nimmt und der „dreifach gewendeten SED“ vorwirft, sie hoffe darauf, den „ehemaligen Lebensnerv“ des freien Berlins noch nachträglich abschneiden zu können, aber: „Am Ende werden wir siegen, Herr Kollege Pflüger!“ Mehrfach spricht Lindner von „Volksverhetzern“, wird dafür vom amtierenden Präsidenten Uwe Lehmann- Brauns (CDU) nur indirekt gerügt. Als Lehmann-Brauns dann die Linken-Abgeordnete Jutta Matuschek förmlich rügt, weil sie polemisch von „Flügen nach Liechtenstein“ redet, provoziert er einen kleinen Tumult, die Sitzung muss unterbrochen werden.

Es scheint, als sei jetzt um Tempelhof auch der Klassenkampf ausgebrochen.

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