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Berlin: Der Trapper aus Spandau spürt neuen Pioniergeist Nach dem Brand: Gründer

will „Texas Town“ wieder aufbauen

Noch sind verschiedene Messgeräte mit dem Körper des 80-jährigen Fritz Walter verbunden. Der Herzinfarkt nach dem Großbrand in seiner geliebten Westernstadt liegt gerade eine Woche zurück. Dennoch ist Walter kaum noch in seinem Bett auf Station 29 der DRK-Klinik Westend zu halten. Mit den eigenen Händen hat er „Old Texas Town“ in Siemensstadt aufgebaut. Seit mehr als einem halben Jahrhundert ist die Westernstadt das Lebenswerk von „Ben Destry", wie er sich als Bürgermeister nennt. Und jetzt, beim Wiederaufbau, ist wieder einmal der Pioniergeist der amerikanischen Vorbilder gefragt, der stets das Handeln des Spandauers geprägt hat.

1950 war für den jungen Berliner eine Reise in die geliebten USA aus Kostengründen noch unvorstellbar. Doch Fritz Walter wollte Land und Leute des amerikanischen Westens professionell studieren, außerdem Kostüme nach historischen Vorbildern schneidern. Der parallele Wunsch nach Geselligkeit ließ ihn Gleichgesinnte suchen. Die fand er in dem kurz zuvor gegründeten Berliner Cowboy-Club „Old-Texas“. Schon ein Jahr später übernahm Walter den Vorsitz und gab das Kommando seitdem nicht mehr aus der Hand. Als die Berliner Schausteller dann gemeinsam mit der US-Garnison Anfang der 60er Jahre das Deutsch-Amerikanische Volksfest aus der Taufe hoben, holte man als lebende Kulisse die Cowboys und Indianer aus Spandau nach Zehlendorf. 1968 musste die Westernstadt der Erweiterung des Kraftwerks Reuter weichen. Der Siemens-Konzern verpachtete den Westernfreunden 14 000 Quadratmeter Brachland an der Paulsternstraße. Im Laufe der Zeit wuchsen 21 Steingebäude mit Holzfassaden aus dem Boden.

Nun steht Fritz Walter wieder einmal vor einem Neubeginn. Immerhin läuft der neue Pachtvertrag vorerst bis 2007. Mit dem Wiederaufbau einiger Gebäude an neuer Stelle wurde bereits begonnen – bis zum Schicksalsschlag am Dienstag vergangener Woche. „Wie ein Flammenwerfer“ setzte der Propangasofen der Büro des „Bürgermeisters“ in Brand. Nach vergeblichen Löschversuchen angelte er – schon benommen vom Qualm – mit einer Harke noch die Propangasflasche aus dem Feuer. Weil die Telefone nicht mehr funktionierten, versuchte der 80-Jährige, mit seinem Auto die nur ein paar hundert Meter entfernte Feuerwache zu erreichen. Nach dem Aufschließen des Grundstückstores brach er auf der Paulsternstraße mit einem Herzinfarkt zusammen. Zahlreiche Autos und Radler fuhren an ihm vorbei bis sich eine Frau seiner annahm. „Ich habe immer wieder gestammelt, dass Texas Town brennt, doch sie hat nicht verstanden, was ich meinte.“

Erst der alarmierte Notarzt bemerkte die Flammen und rief die Feuerwehr. Das Bürgermeisterbüro und ein Nachbargebäude wurden zerstört; alle Uniformen Walters sind verbrannt. Doch der denkt schon an den Wiederaufbau, im seit 50 Jahren gewohnten Tempo.

Rainer W. During

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