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Berlin: Der Trend geht klar zur Kleinpartei

Grüne und Liberale verzeichnen in Berlin seit der Bundestagswahl 2005 einen Zuwachs an Mitgliedern

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Die großen Parteien SPD, CDU und Linkspartei/PDS verlieren in Berlin seit Jahren Mitglieder. Die kleineren Parteien FDP und Grüne dagegen legen kontinuierlich zu. Die Grünen sind so stark wie nie: Der Landesverband hat 3868 Mitglieder, fast 500 mehr als vor sechs Jahren. „Vor allem in den Wahlkampfzeiten haben wir zugelegt“, sagt Grünen-Landeschefin Almuth Tharan. Viele Sympathisanten seien vor der – für Rot-Grün entscheidenden – Bundestagswahl 2005 stark politisiert worden und hätten sich „bewusst aktiv“ in die Partei eingebracht.

Die grünen Hochburgen in Berlin sind die Innenstadtbezirke. Unangefochten behauptet sich Friedrichshain-Kreuzberg seit Jahren als mitgliederstärkster Kreisverband mit 721 Grünen. Erst vor drei Wochen schob sich Pankow vor Charlottenburg-Wilmersdorf (517) und nimmt seitdem mit 520 Mitgliedern den zweiten Platz ein. Es folgt Tempelhof-Schöneberg mit 510 Mitgliedern. Der Kreisverband Mitte steht mit 484 Grünen noch vor Steglitz-Zehlendorf mit 405. Der kleinste Kreisverband ist Marzahn–Hellersdorf: 50 Grüne sind dort organisiert. Dass die Grünen vor allem in Mitte und Prenzlauer Berg Zuwächse verzeichnen, liegt vor allem am Zuzug von Neu-Berlinern. Landeschefin Tharan sagt, dass die neuen Parteimitglieder im Durchschnitt zwischen 25 und 45 Jahre alt sind, viele seien sehr kulturinteressiert. „Wir haben im Ostteil viele Mitglieder, die studieren oder in Regierungsbehörden oder Verbänden arbeiten.“ Mittlerweile sind die Grünen in allen Bezirksverordnetenversammlungen vertreten und stellen in Friedrichshain-Kreuzberg mit Franz Schulz sogar den Bürgermeister. Im Ost-West-Bezirk gibt es auch das einzige grün-dunkelrote Bündnis auf der kommunalen Ebene.

Laut einer Forsa-Umfrage zählen sich 71 Prozent aller Grünen-Anhänger zu den „Realos“, 13 Prozent zu den „Fundis“ und 16 Prozent liegen irgendwo dazwischen. Die grüne Klientel ist gebildet, gut situiert, und viele zählen sich zu den „Postmaterialisten“: Menschen, die Parteien mehr nach Werten wie Frieden, Demokratie, Nachhaltigkeit, Generationengerechtigkeit und weniger nach steuerpolitischen Aspekten wählen. Dennoch haben die Grünen den größten Mitgliederzuwachs unter den Selbstständigen.

Obwohl sie im Wahlkampf gegenseitig um Wählerstimmen buhlten und die bürgerliche Klientel umgarnten: Grün und Gelb ziehen sich offenbar nicht an. So wandten sich bei der Abgeordnetenhauswahl weniger FDP-Anhänger als erwartet den Grünen zu. Offenbar hat das Bekenntnis zur FDP in Berlin durchaus stillen Charme. Um 19 Prozent wuchs die Mitgliedschaft im Jahr 2005. Das sei „bundesweit spitze“, sagt Markus Löning, der Landesvorsitzende der FDP. 3215 Frauen und Männer waren laut Löning Ende Oktober 2006 registriert. Als Grund für das statistische Mengenwachstum gibt Löning den Wahlkampf 2005 an. Da forderte die spätere Kanzlerin recht marktliberal eine „Richtungsentscheidung für Deutschland“ – und dann kam es zur großen Koalition. Die Hoffnung auf eine FDP-Regierungsbeteiligung und den Frust über die Anfänge von Schwarz-Rot dürften so manchen den Liberalen zugetrieben haben.

Besonders stolz ist Löning, weil die Mitgliederstatistik so gut wie keine Karteileiche mehr enthalten dürfte. 2706 Liberale weist die Mitgliederkartei des Jahres 2004 aus, nachdem alle gestrichen worden waren, die keine Beiträge zahlten. Jetzt ist der Bezirksverband Tempelhof-Schöneberg mit 645 Mitgliedern der stärkste, gefolgt von Mitte mit 444 und Steglitz-Zehlendorf mit 420. In Marzahn-Hellersdorf gehören 62 Bürger der FDP an, in Lichtenberg sind es nur 58 – doch der Osten der Stadt macht Löning nicht wirklich Sorgen.

Die FDP sei immerhin in allen Bezirksverordnetenversammlungen vertreten, sagt der Parteichef. Inzwischen haben die Liberalen, die immer mal wieder mit Personalquerelen auffallen, auch den jüngsten Ärger beigelegt: Sibylle Meister ist neue Landesgeschäftsführerin. Sie folgt Horst Krumpen nach, von dem sich Löning überraschend und wohl eher im Streit nach der Wahl zum Abgeordnetenhaus getrennt hatte.

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