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In Gaucks Frisörsalon liegt auch eine Kundenzeitschrift, bei der es der künftige Bundespräsident schon vor seiner Nominierung auf die Titelseite geschafft hat.

© Thilo Rückeis

Der unauffällige Nachbar: Im Kiez des zukünftigen Präsidenten

Er fahre ein einfaches, älteres Auto und lebe auch sonst bescheiden. So beschreiben seine Berliner Nachbarn den künftigen Bundespräsidenten. Der Tagesspiegel besuchte auch die Frau, die ihm gehörig den Kopf waschen darf.

Von Sandra Dassler

Selbst die Kinder auf der Innsbrucker Straße kennen seinen Namen: „Joachim Gauck wird unser Bundespräsident“, ruft ein Fünftklässler der Sternberg-Grundschule und schießt seinen Fußball in Richtung Stadtpark Schöneberg. Dass dieser Joachim Gauck quasi gleich um die Ecke wohnt, weiß er natürlich nicht.

Auch in der Nachbarschaft des schmucken Mehrfamilienhauses im Jugendstil haben noch nicht alle bemerkt, dass das künftige Staatsoberhaupt hier seine Berliner Wohnung hat. Die ihn kennen, erzählen, warum: „Er ist unauffällig, zurückhaltend und sehr bescheiden“, sagt Markus Hawlik: „Er fährt ein einfaches, älteres Auto, und man sieht ihn relativ selten.“

Hawlik ist Fotograf und wohnt gegenüber von Gauck. Die Straße bezeichnet er als „spießig“, die Wohnungen seien teuer. Aber es lebe sich gut hier, so nah am Park, mit viel Grün. Nur wenige Gehminuten sind es zum Innsbrucker Platz oder zum Rathaus Schöneberg. Am Tag nach Gaucks Nominierung laufen bereits Polizisten die Straße vor seiner Wohnung entlang und befragen jeden, der hier fotografiert. Natürlich sind alles Presseleute – aber man kann ja nicht wissen.

Joachim Gauck selbst will sich an diesem Montag freilich erst einmal nicht äußern. „Er ist etwas erschöpft“, sagt eine Bekannte, die für ihn die vielen Anrufe entgegennimmt. Und allen freundlich erklärt, dass die Parteien dabei seien, ein Büro für den künftigen Präsidenten einzurichten. Dorthin könnten dann die Anfragen gerichtet werden. Ja, natürlich freue sie sich für ihn, aber irgendwie sei das alles durchaus auch ambivalent: „Man verliert durch ein solches Amt auch viel an Freiheit“, sagt sie.

Frisörmeisterin Marie Henriette Schlack schneidet Gauck seit Jahren die Haare.
Frisörmeisterin Marie Henriette Schlack schneidet Gauck seit Jahren die Haare.

© Thilo Rückeis

Für Gauck freut sich Andreas Reichardt, einer von drei Pfarrern der Evangelischen Auengemeinde in Wilmersdorf. Ihr hat sich Joachim Gauck angeschlossen, seit mehr als sechs Jahren besucht er dort den Gottesdienst. „Ich glaube, er hat sich unsere Gemeinde ausgesucht, weil wir eine tolle musikalische Begleitung haben und bei uns viel gesungen wird“, sagt Reichardt.

Joachim Gauck komme nicht jeden Sonntag, dazu sei er viel zu oft unterwegs. Aber man merke ihm an, dass er die Ruhe und Spiritualität im Gottesdienst sehr genieße, obwohl er sich auch gern einbringe. So hat der ehemalige Rostocker Jugendpfarrer in der Auenkirche vor drei Jahren eine Predigt gehalten – „sehr persönlich, sehr emotional“, sagt Reichardt. Und bei der letzten Christvesper, Heiligabend, hat er die Weihnachtsgeschichte vorgetragen. Das wird er als Bundespräsident wohl nicht mehr schaffen, befürchtet Andreas Reichardt.

Wo Gauck singt. Der künftige Bundespräsident besucht oft die Gottesdienste der Auenkirche in der Wilhelmsaue. Dort predigt Pfarrer Andreas Reichardt – manchmal überlässt er das auch seinem Kollegen Joachim Gauck.
Wo Gauck singt. Der künftige Bundespräsident besucht oft die Gottesdienste der Auenkirche in der Wilhelmsaue. Dort predigt Pfarrer Andreas Reichardt – manchmal überlässt er das auch seinem Kollegen Joachim Gauck.

© Thilo Rückeis

Nichts zu befürchten hat Gaucks Frisörin Marie Henriette Schlack, die seit 32 Jahren den Salon „Coiffures au petit Luxembourg“ am Innsbrucker Platz betreibt. „Joachim Gauck, den ich menschlich sehr schätze, ist schon zu mir gekommen, als er noch Behördenleiter war“, sagt sie: „Alle vier, fünf Wochen, er hat ja noch sehr schönes Haar“ Sie grinst: „Auch wenn er es nicht färbt.“ Mehr Geheimnisse will die Frisörin aber auf keinen Fall verraten. Schließlich hat ihr Gauck schon vor zwei Jahren versprochen, dass er auch als Bundespräsident zu ihr kommen wird.

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