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Berlin: Der unbegreifliche Tod und die Wut

Rund 1000 Gäste kamen zur Trauerfeier für Uwe Lieschied Der Polizist war vor zwei Wochen im Dienst erschossen worden

Es ist ein trauriges Lied, das aus zwei Lautsprechern klingt und die Menschen vor der Kapelle einfängt, die der Regen durchweicht und der Wind umweht. Eine Frauenstimme singt es, klar und hell. Sie singt, es sehe aus, als sei das Leben ein kurzer Weg. Aber sie hofft, dass er noch nicht zu Ende ist. Sie singt: „Ich hänge doch so sehr an diesem Leben.“

Der Wind weht die Töne über Blumengestecke und Grabsteine und hinauf in die kahlen Wipfel der Bäume. Drinnen, in der Kapelle, sitzt eine kleine blonde Frau mit ihren zwei schmalen Söhnen mit hochgegelten Haaren. Um sie herum Verwandte, Freunde, der Regierende Bürgermeister, der Innensenator, der Polizeipräsident, viele Polizisten. Es ist die Trauerfeier für Uwe Lieschied, 42, erschossen im Dienst am Freitag, den 17. März, offizielles Todesdatum 21. März. Geliebter Mann und Vater, treuer Freund, herzlich und lustig, geschätzter Kollege und Vorgesetzter, beliebter Fußballtrainer.

Man will gar nicht wissen, was das traurige Lied in der Kapelle anrichtet.

Gut 1000 Menschen sind zum Parkfriedhof Neukölln gekommen, eine großzügige Anlage in Britz, die nach dem Willen ihres Begründers die Gleichheit der Menschen im Tod zum Ausdruck bringen soll. Viele Polizisten in Uniform, aus dem eigenen Polizeiabschnitt, aus ganz Berlin und aus den Bundesländern, auch Zivilisten sind da und einige Jugendliche.

In Neukölln lebte Lieschied. In Neukölln starb er auch. Fünf Kilometer weiter nördlich, am Rande der Hasenheide.

Er war als Zivilstreife unterwegs, zusammen mit zwei Kollegen. Als sie zwei verdächtige Männer ansprachen, schoss der eine. Sieben Mal. In einer kleinen Rede sagte der Polizeipräsident, sie seien Gewalttätern begegnet, die ihnen keine Chance gelassen haben. Dieter Glietsch sagte, Uwe Lieschied habe sich besonders dafür ein gesetzt, dass man in dieser Stadt friedlich zusammenleben könne. Er sei so lebensfroh und enthusiastisch gewesen, ein Vorbild. „Gerade das macht seinen gewaltsamen Tod so unbegreiflich und schmerzhaft“, sagte Glietsch.

Als der beste Freund des Toten mit der Urne in der Hand aus der Kapelle kommt und zur Grabstelle im Friedhofsabschnitt 6 geht, folgen ihm viele mit rot geweinten Gesichtern, um die Fassung gebracht durch die vielen guten Worte. Die Witwe wirft als erste eine Blume auf die nasse Erde. Sie trägt eine Sonnenbrille. Sie wird von vielen umarmt.

Der Polizeipfarrer hatte von der Wut und der Ohnmacht gesprochen und aus zwei Psalmen vorgelesen, dass vielleicht alles Fragen umsonst sei und manches nicht zu begreifen. Die draußen standen, konnten dazu das Glockengeläut einer anderen Kirche hören. Später drang eine Polizeisirene von der Straße herüber. Ein Einsatz. Wie wird er ausgehen?

Der Mann, der Uwe Lieschied erschossen hat, ist schon gefasst. Der ist 39 Jahre alt. Auf eine andere Art ist auch sein Leben jetzt zu Ende. Aber tot ist er nicht.

In dem traurigen Lied singt die Frau: Was ist denn schon mein kleines Menschenleben? Das Lied heißt „Alles ist gut“.

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