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Berlin: Der untreue Kassierer hatte bei der SPD leichtes Spiel

100 000 Euro auf Privatkonto geleitet – niemand schöpfte Verdacht

Der Fall von Unterschlagung in der SPD-Landeszentrale wirft eine Menge Fragen auf. Das Vertrauen in den Kassenleiter Jürgen Kopschinski, dem die Buchhaltung seit 1994 unterstand, war offenbar so groß, dass er nicht richtig kontrolliert wurde. Kopschinski hat nach eigenem Eingeständnis in den letzten Jahren 100 000 Euro Parteigelder unterschlagen. Jetzt prüft die SPD-Spitze, ob das alles war und ob alle Parteispenden ordnungsgemäß quittiert wurden. Den Erkenntnisstand übergab Parteichef Peter Strieder am Montag der Staatsanwaltschaft.

Eine Spenderin hatte im November 2002 ihre Quittung über 300 Euro angemahnt und damit den Stein ins Rollen gebracht. Da entdeckte man, dass Kopschinski das Geld privat verbucht hatte. Die Folge: Er wurde entlassen und die SPD stellte Strafanzeige. Nach dem bisherigen Stand hat er Spendenschecks über insgesamt rund 16 000 Euro auf sein Privatkonto umgeleitet. Der Löwenanteil der unterschlagenen 100 000 Euro betrifft jedoch Zahlungen an die parteieigene Grundstücksgesellschaft Wedding (GGW), der das Haus der SPD-Zentrale in der Weddinger Müllerstraße gehört.

Kopschinski war auch GGW-Geschäftsführer, ferner Verlagsleiter der Parteizeitung „Berliner Stimme.“ Er gehörte zum Urgestein der SPD-Landeszentrale, in der er seit 1974 Mitarbeiter und zeitweilig Betriebsratsvorsitzender war. „Er hatte eine absolute Vertrauensstellung“, sagt der stellvertretende Landesvorsitzende und frühere kommissarische Landeskassierer Andreas Matthae.

Die Täuschungsmanöver fielen weder den gewählten Landesschatzmeistern, noch den Revisoren, noch den Wirtschaftsprüfern auf. Bei den Plausibilitätsprüfungen gab es keine Beanstandungen. So führte Kopschinski ein Wahlkampfkonto für die SPD Mitte-Prenzlauer Berg nach dem Bundestagswahlkampf 1998 weiter, auf dem er Spendenschecks über 8500 Euro einzahlte und dann auf sein Privatkonto umleitete. Niemand fragte nach der Löschung des Kontos, das in den Büchern nicht mehr auftauchte. Weitere 7500 Euro Spenden steckte er sich in den Vorjahren in die eigene Tasche.

Ferner richtete er 1997 ein GGW-Konto ein, das er verheimlichte; die Bankbelege ließ er sich nach Hause schicken. Die SPD überwies Geld auf dieses Konto. Wie sich jetzt herausstellte, kam es dort aber nicht an. Die zweite Unterschrift, die Kopschinski von einem Kollegen brauchte, bekam er. Von gefälschten Überweisungskopien ist die Rede, aber auch die Fälschung zweiter Unterschriften ist möglich. Es gehört zu den Merkwürdigkeiten, dass die GGW-Buchhaltung keinen Verdacht schöpfte. „Er tat dort, als gebe es bestimmte Forderungen gar nicht“, sagt Klaus Ulbricht, SPD-Landeskassierer seit Sommer 2002. Kopschinskis Mitarbeitervertrag sollte Ende 2002 enden, da die gesamte Buchhaltung extern vergeben wurde.

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