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Berlin: Der verbotene Himmel

Ab morgen ist der Luftraum über Berlins Innenstadt gesperrt. Reiner Aktionismus? Ein Pro & Contra

Mit heftigen Protesten haben Privatpiloten und ihre Verbände gegen die ab Montag geltende Flugverbotszone über der Berliner Innenstadt reagiert. Sie werfen den verantwortlichen Politikern populistischen Wahlkampfaktionismus vor. Das beschlossene Sperrgebiet biete keinerlei zusätzlichen Schutz gegen Terroristen oder Selbstmörder.

Bisher sind über dem Regierungsviertel Flüge in einer Mindesthöhe von 670 Metern nach Anmeldung bei der Flugsicherung erlaubt. Künftig sind nach Angaben der Deutschen Flugsicherung Sichtflüge in einem Radius von fünfeinhalb Kilometern um den Reichstags bis zu einer Höhe von 5000 Fuß (rund 1524 Meter) untersagt. Der Bereich reicht vom Schloß Charlottenburg im Westen über das Rathaus Pankow im Norden und das Frankfurter Tor im Osten bis nach Alt-Tempelhof im Süden. An- und Abflüge nach Tempelhof sind ausgenommen. Mit dem Verbot reagierten Verkehrs-, Innen- und Verteidigungsminister auf den Selbstmord eines Piloten, der am vorletzten Freitag mit einem Ultraleichtflugzeug vor dem Reichstag abgestürzt war.

„Das Flugbeschränkungsgebiet versetzt die Sicherheitsbehörden in die Lage, einen terroristischen Angriff auf gefährdete Objekte in diesem Bereich frühzeitig zu erkennen“, heißt es in der Erklärung der drei Minister. „Es wird ein Meldesystem eingerichtet, um Schutzmaßnahmen wie Evakuierungen rechtzeitig ergreifen zu können“. Das ist nach übereinstimmenden Aussagen aller Fachleute unmöglich. Selbst ein langsames Flugzeug gelangt mit 100 Stundenkilometern in knapp dreieinhalb Minuten von der Grenze des Sperrgebietes bis zum Kanzleramt. Wer das Gebiet in 1500 Metern Höhe überfliegt, kann sich in wenigen Sekunden in die Reichstagskuppel stürzen. Da bleibt keine Zeit für Reaktionen.

„Das ist Terrorismusbekämpfung für ganz schlichte Gemüter“, sagt Michael Erb, Geschäftsführer der AOPA, des Verbandes der Allgemeinen Luftfahrt. Für den Präsidenten des Berliner Luftsport-Landesverbandes, Klaus Engelhardt, ist das Verbot „der größte Blödsinn, den man machen kann“. „Es gibt keine zusätzliche Sicherheit durch das Flugverbot“, sagt auch Thomas Kärger, Verkehrs- und Sportpilot sowie Chef des Berliner Piloten-Controller-Clubs. Auch die Deutsche Flugsicherung hatte sich skeptisch geäußert. Ein Räuber halte sich auch nicht an das Parkverbot vor einer Bank, hieß es dort.

Besonders ärgert die Piloten, dass die Minister vor einem für Montag vereinbarten Gespräch mit den Verbänden entschieden. Noch nie sei ein Sportflugzeug für einen Terroranschlag benutzt worden. Um die Aufschlagkraft einer der in das World-Trade-Center gesteuerten Boeings zu erreichen, seien 3000 Ultraleicht-Flugzeuge erforderlich, sagt Michael Erb. Ein Motorradfahrer mit einem Sprengstoffrucksack könne mehr Schaden anrichten als eine einzelne Privatmaschine. Dennoch komme niemand auf die Idee, das Kradfahren im Regierungsviertel zu verbieten.

Sicherheit, so heißt es in Luftfahrtkreisen, können nur optimale Zugangskontrollen zu den Maschinen am Boden gewährleisten. Ein Selbstmörder ist allerdings weder so noch durch Sperrgebiete zu stoppen. Davor ist nicht einmal der Linienverkehr gefeit. In den 90er Jahren gab es weltweit drei Abstürze vollbesetzter Verkehrsflugzeuge, die auf den Suizid eines Piloten zurückgeführt werden.

Rainer W. During

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