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Berlin: Der Wassermann

Bernd Holtfreter ist auf der Suche. Irgendwo in Kaulsdorf sollen sie lagern, die beiden gusseisernen Tore, die früher das Stadtbad in der Oderberger Straße schmückten.

Bernd Holtfreter ist auf der Suche. Irgendwo in Kaulsdorf sollen sie lagern, die beiden gusseisernen Tore, die früher das Stadtbad in der Oderberger Straße schmückten. Rechts lag das für die Mädchen und links das für die Jungen. Bevor das Stadtbad bezahlt wird, sollen die Tore gefunden sein. Noch in diesem Monat will die Genossenschaft "Stadtbad Oberberger Straße" die 135 000 Euro überweisen, um dann das 100-jährige Jubiläum der Eröffnung des Bades am 1. Februar richtig feiern zu können. Grund genug gibt es: Seit fast 15 Jahren ist das Bad geschlossen, aber noch nie schien es der Wiedereröffnung so nahe wie jetzt.

Im Jahr 1902 wurde das Bad in Anwesenheit von Kaiser Wilhelm II. feierlich eröffnet. Der prachtvolle Bau war nicht nur Volksbad, sondern vor allem Waschgelegenheit für die Bevölkerung. Mitte der achtziger Jahre wurde ein neuer Schornstein gebaut. Der war allerdings so schwer, dass er Risse im Schwimmbecken und in den Wänden verursachte. Am 10. Dezember 1986 wurde das Bad geschlossen. Noch am selben Tag gründete sich eine Anwohnergruppe, die sich für eine Wiedereröffnung einsetzte.

Bernd Holtfreter gehörte von Anfang an dazu. Er hat die jüngere Geschichte des Bades genau im Kopf. So plante schon der Ost-Berliner Magistrat 1987 eine Sanierung, mit der 1990 begonnen werden sollte. Dazwischen kam die Wende. Ein vom Senat beauftragter Architekt veranschlagte 45 Millionen Mark für die Sanierung, die 1996 beginnen sollte. Diesmal kam die Olympiabewerbung dazwischen. Neue Hallen wurden gebaut, für das Bad hatte die Stadt kein Geld mehr.

1995 gründete sich die Bürgerinitiative "Stadtbad Oderberger Straße" und erarbeitete eine abgespeckte Version ohne Whirlpools und Glasdächer für 28 Millionen Mark. Noch immer floss kein Geld von der Stadt. Der Kreis um Holtfreter plante eine zweite Version, diesmal mit einem integrierten Jugendhotel, damit sich das Bad später selbst tragen kann. Die Kosten für die Sanierung lagen nun bei 34 Millionen Mark, ein Finanzierungskonzept lieferte die Initiative mit. Ohne Erfolg, denn der Senat der mittlerweile bankrotten Stadt strich das Bad aus der Investitionsliste. Die Initiative suchte und fand andere Investoren. 35 Millionen Mark sollte die Sanierung in der dritten Version kosten: 15 Millionen Mark Kredit, zehn Millionen von der EU und weitere zehn Millionen aus einem Immobilienfonds. Im vergangenen Jahr wurde aus der Bürgerinitiative eine Genossenschaft - und die hat neben mehreren hundert Mitgliedern inzwischen auch einen Betreiber für das Bad gefunden: den Schweizer Harald Kannewischer. Der verdient sein Geld hauptberuflich als Ingenieur für Badtechnik und arbeitete an allen drei Sanierungsentwürfen der Bürgerinitiative mit. Ein Idealpartner also. Dass es mit Kannewischer während der Nutzung später Streit geben könnte, schließt Holtfreter, der lange Zeit gegen ein Luxusbad in der Oderberger Straße kämpfte, aus. Das jetzt geplante Bad mit Saunalandschaft und Whirlpools ist ein Kompromiss. Schließlich hätten sich mit den Bewohnern des Bezirkes auch deren Bedürfnisse geändert. Heute darf es ein bisschen mehr Luxus sein. Seit 30 Jahren wohnt der gelernte Landvermesser in der Oderberger Straße. Mit der Bürgerinitiative organisierte er im Stadtbad schon zahlreiche Veranstaltungen - um das Baudenkmal im Bewusstsein der Öffentlichkeit zu halten, und weil es natürlich ein schöner Ort für Partys war. Dass er seit 1995 als baupolitischer Sprecher für die PDS im Berliner Abgeordnetenhaus sitzt, hat neben politischen auch praktische Gründe. Er wisse immer, wer wo was bearbeite und kenne die Hintergründe. Noch ist dem Bad der zukünftige Luxus nicht anzusehen, lediglich der Prunk der Vergangenheit lässt sich erahnen: Großzügig fällt das Tageslicht durch die weiten Fenster auf das Schwimmbecken, die Galerie unter der verzierten Kreuzgratdecke ist einzigartig in einem Berliner Bad. Doch der Putz bröckelt, im Fußboden sind Löcher, an den Fenstern Graffiti. Und wenn das Bad nicht bald beheizt wird, droht die Gipsdecke herabzustürzen. In den ehemaligen Badzellen stehen verschmutzte Badewannen. Ein paar davon will die Genossenschaft zur Anschauung erhalten. Der Rest werde für die Saunalandschaft hergerichtet. In diesem Jahr wird die Sanierung des Bades in allen Details geplant, im nächsten kann es dann losgehen. Im Jahr 2005 soll das Bad wiedereröffnen.

Und was macht Kiezaktivist Holtfreter, wenn sein größtes Projekt realisiert ist? Es gebe noch genug zu tun, sagt er. Da wäre etwa das ehemalige Schulgelände nebenan. Wenn das Bad gut läuft, könnte man auch aus dem benachbarten Areal etwas machen. Ein Hotel vielleicht. Aber erst muss Holtfreter die Tore zum Stadtbad finden.

Annekatrin Looss

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