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Lesewoche 2012: Lesung von Heiko Werning und Thilo Bock im Café am Ufer

© Daniel Gollasch

Der Wedding liest: 2. Sprach- und Lesewoche: Schlampen, Piroggi und Poesie

Der Wedding macht ohnehin, was er will. Warum also nicht auch Literatur? Zum zweiten Mal findet hier die Weddinger Woche der Sprache und des Lesens statt - mit insgesamt 50 bunten Veranstaltungen an 23 Orten. Eins scheint klar: Langweilig wird das nicht.

Sag mir, was du liest, und ich sage dir, wer du bist. Es ist nicht ganz klar, wem dieser schmissige Spruch zuerst eingefallen ist, vielleicht dem Franzosen Pierre de La Gorce. Nicht wichtig. Schließlich kann man statt „liest“ so ziemlich jedes beliebige Tätigkeitsverb in der zweiten Person Singular einsetzen, der Satz wirkt eigentlich immer: schön plakativ, vermeintlich tiefgründig.

Menschen also lesen und denken darüber nach. Dass Stadtteile eher nicht lesen können, ist weithin bekannt. Und wenn man sich aus den vielen Ecken Berlins eine aussuchen müsste, der man das Lesen am ehesten zutrauen würde, man würde nicht unbedingt direkt auf den Wedding kommen. Und doch: Der Wedding liest.

Der Wedding liest sogar, was er will.

So lautet schließlich das Motto der „Woche der Sprache und des Lesens“, die vom 12. bis 20. Oktober hauptsächlich, aber nicht nur im Brunnenviertel und im Soldiner Kiez stattfindet. Organisiert von der Bürgerstiftung Wedding und den beiden Quartiersmanagements findet die Veranstaltung im zweiten Jahr statt. 2012 noch im Rahmen der Gesamtberliner Lesewoche, diesmal eigenständig.

„Da die Veranstaltung uns so gut gefallen hat, haben wir gesagt, dass wir sie auch in diesem Jahr fortführen wollen“, sagt Daniel Gollasch, einer der Initiatoren.

Das Programm ist so bunt wie Teile des Wedding, und der Slogan der Lesewoche ist auch genau so gemeint, wie er da steht. „Einschränkungen gibt es gar nicht“, sagt Gollasch. „Jeder, der Texte vorlesen will, ob eigene oder fremde, der darf das tun.“ Auf die deutsche Sprache sind sie ebenfalls nicht begrenzt, französische Lesungen, unter anderem am Samstagmorgen im Centre Francais, polnische oder jiddische Texte sind auch mit dabei.

Literatur in die Viertel zu tragen: ein Wagnis

Nicht nur abends in Cafés, Bars und Kulturräumen finden die Lesungen statt, sondern auch tagsüber, an Schulen oder Familienzentren im Kiez. Ganz bewusst sind die Veranstalter dorthin gegangen. „Im Wedding gibt es einige Kinder, die nicht jeden Abend mit einem Buch ins Bett gehen“, sagt Gollasch. „Wir wollen das Thema Lesen und das Thema Sprache den Kindern und Jugendlichen hier daher bewusst ans Herz legen.“

Die Literatur in die Viertel zu tragen, ist natürlich auch ein Wagnis. So darf man gespannt sein, ob und wie es funktioniert, zur Hauptverkehrszeit Texte auf der „Gleim-Oase“ inmitten der stark befahrenen Gleimstraße hörbar zu machen. Und für die Open-Air-Lesung im Himmelbeet muss sich auch Freund Petrus als Literaturfan zeigen.

Woche der Sprache und des Lesens im Wedding 2013
Woche der Sprache und des Lesens im Wedding 2013

© Promo

Aber ob nun bei den „Brauseboys“ mit ihrer Vorleseshow, beim Poetry-Slam, bei „Poesie und Piroggi“ oder einem der literarischen Kiezspaziergänge, eins ist sicher: es kann sich jeder wiederfinden in den insgesamt rund 50 Veranstaltungen an 23 Orten, Orte auch, an denen man vielleicht jahrelang vorbeigelaufen ist und die man nun entdecken kann, wie Gollasch es ausdrückt.

Und hin und wieder sind sogar schon die Titel so schön rotzig wie der Wedding selbst. Einer lautet: „Von Schlampen und anderen guten Menschen“.

Zum Programm der Sprach- und Lesewoche.

Dem Autor auf Twitter folgen: @johehr

Dieser Artikel erscheint im Wedding Blog, dem Online-Magazin des Tagesspiegel.

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