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Berlin: DER SPÄTIVERKÄUFER

An Silvester sind wir zu fünft. Zwei stehen hinter der Kasse, der Rest passt auf, dass Betrunkene keine Flaschen umwerfen.

An Silvester sind wir zu fünft. Zwei stehen hinter der Kasse, der Rest passt auf, dass Betrunkene keine Flaschen umwerfen. So ungefähr jedenfalls. Letztes Jahr hatten wir mal 70 Leute gleichzeitig bei uns im Laden, das sah aus wie eine richtige Silvesterparty, mein Kollege hat es mit seinem Smartphone aufgenommen. Ich schätze, die ersten Menschenmassen kommen so gegen 11 Uhr, die wollen ja alle hoch auf die Spitze des Kreuzbergs zu dem Denkmal im Viktoriapark, weil sie von dort einen Panoramablick über die ganze Stadt haben. Hier unten am Mehringdamm kann man ab Viertel nach zwölf überhaupt nichts mehr erkennen, weil alles zugeraucht ist von den ganzen Böllern. Ich seh’ dann nicht mal mehr das rote Logo vom Kaiser’s drüben in der Bergmannstraße. Damit die Kunden zu uns finden, stellen wir vorne am Eingang zwei Boxen und eine LED-Kugel auf. Manchmal wird es so voll, dass sich eine Schlange vor der Tür bildet, da hilft die Musik beim Anstehen. Beliebt sind Sekt und Wein, aber auch „Pilsator“ für 60 Cent – das billigste Bier, das wir haben. Gut gehen an Silvester auch unsere Blechdosen mit Kondomen drin. Drei Stück für zwei Euro. Und natürlich Feuerzeuge. Zwei Dinge mag ich nicht so. Erstens: Wenn Kunden an Silvester auf die Idee kommen zu handeln. So „Ey komm, zur Feier des Tages mal ein Freibier, okay?“. Zweitens: Wenn Kunden Mitleid zeigen. „Ihr armen Schweine, Ihr müsst hier arbeiten, während alle anderen feiern.“

Harun Dilek, 24, steht im Spätverkauf am Mehringdamm 70 hinter der Kasse.

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