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Berlin: Design in Zahlen Die Stadt steht Modell

Plattenbauten als Bastelbögen, Bürsten in Form des Brandenburger Tores. Das Stadtbild dient immer mehr Designern als Motiv

Rund 12 000 Personen arbeiten derzeit in der Berliner Designwirtschaft und produzieren Möbel, Mode, Verpackungen und Kunst. Die rund 6 700 Designerfirmen der Stadt erwirtschafteten 2005 einen Umsatz von rund 1,5 Milliarden Euro . Geschäftsberatung bietet die Seminarreihe „Designmanagement für kleine und mittlere Unternehmen“ am Internationalen Design Zentrum (Reinhardtstraße 51, Mitte). Geleitet wird die Fördermaßnahme von Kommunikationsdesign-Professorin Katrin Hinz von der FHTW-Berlin (siehe Interview unten). Infos zum Seminar unter www.idz.de. cb

Wenn in hundert Jahren mal jemand auf die Idee kommen sollte, in Berliner Kellern zu stöbern, dann könnte er interessante Funde machen. Kleider etwa mit Berliner Straßenlaternendruck oder Seifen mit Fernsehturmmotiv. Vielleicht ist ja dann auch noch eines der Quartettspiele erhalten, die Berliner Lampentypen oder Plattenbau-Modelle zum Thema haben. Niemals war die Auswahl an Gebrauchsgegenständen mit Berlin-Motiv größer als derzeit. Fast könnte man meinen, der Berliner Designerszene fiele nichts anderes mehr ein, als Fassaden, Lampen und Gebäude auf Quartettkarten, Lampenschirmen oder Geschirrhandtüchern zu verewigen. Vor allem aber ist dies wohl der Tatsache zu verdanken, dass viele Berliner Architekten auch als Designer arbeiten. Zum Beispiel Dirk Berger. Er hat mit seiner Partnerin Sandra Siebert jüngst am Rosenthaler Platz einen Laden eröffnet. „Viele Gebäude in der Stadt finden zu wenig Beachtung“, ist Berger der Meinung. Und weil Architekten in Berlin auch schon mal mehr zu tun hatten als heute, hat sich der 40-Jährige entschieden, das Stadtbild eben zweidimensional zu bearbeiten – auf Stoffen.

Besonders stolz ist Berger auf eine neue Tischlampe. Ist die Funzel aus, sieht man einen schlichten bordeauxroten Schirm. Im beleuchteten Zustand zeigt sie das Rautenmuster der ehemaligen Kaufhoffassade am Alexanderplatz. Berger und Siebert finden es schade, dass in Berlin ständig Bauten verschwinden, die die Geschichte der Stadt geprägt haben. „Zornige Kinder“ heißt deshalb eine Serie aus Kissenhüllen mit Motiven von der verschwundenen Selbstbedienungsgaststätte Ahornblatt in Mitte, dem Ku’damm-Eck oder dem Hotel Unter den Linden, das im vergangenen Jahr der Abrissbirne zum Opfer fiel.

2006 haben S-Wert-Design, wie sich Berger und Siebert nennen, zusammen mit der Modedesignerin Claudine Brignot (Urban Speed) eine Modelinie mit Drucken von Berliner und Tokioter Straßenlaternen entworfen.

Ein Berlinmotiv-Designer der ersten Stunde ist Cord Woywodt. Mit seinem Plattenbau-Bastelbogen erntete er bereits 2002 überregional Ruhm und Ehre. Reich geworden ist er damit nicht. „Das ist ein Riesenaufwand, so etwas zu vermarkten“, hat er gemerkt. Immerhin gibt es seine Faltplatte und seit Neuestem auch das Bauhaus in Dessau als Bastelbogen in vielen deutschen Museumsshops und Buchläden. Dass die Berliner Architektur eine so große Inspirationsquelle ist, findet er nicht weiter verwunderlich. „Vieles wird zu schnell abgerissen oder ignoriert“, teilt er die Meinung seines Kollegen Berger. Dass sich besonders Bauten der sechziger und siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts im Gebrauchsdesign niederschlagen, sieht er darin begründet, dass diese Zeit heute die Grundlage der Auseinandersetzung mit Architektur bilde. Die Beschäftigung mit dem Stadtbild sieht er nicht auf Berlin beschränkt. Lange schon hat er die Idee, einen Kölner Wohnsilo-Bastelbogen zu entwickeln, doch bis jetzt ist er noch nicht dazu gekommen.

Berlin-Besucher freuen sich über die Vielfalt an originellen Souvenirs aus der Hauptstadt. Bei „ausberlin“, einem Laden, der 400 Designer der Stadt präsentiert, gibt es reichlich Auswahl: Plätzchen in Form des Brandenburger Tors, der Palast der Republik als Abreißblock, Berliner-U-Bahn-Quartette, Bürsten in Form des Brandenburger Tores und sogar T-Shirts mit dem Schriftzug der Neuköllner Rütli-Hauptschule. „Die Nachfrage ist da“, sagt Ladenbetreiber Darius Wientzek, ursprünglich ebenfalls Architekt von Beruf.

Ellen Teschendorf, die einen Internetshop mit Berlin-Design betreibt, hat festgestellt, dass auch viele Berliner Dinge mit Motiven aus der eigenen Stadt kaufen. Manchmal reicht es auch schon, sein Produkt mit Berliner Stadtbildmotiv im Hintergrund zu bewerben, um erfolgreich zu sein. Die „Dialounge“, eine Liege des Designers Michael Hilgers wurde für ein Werbefoto am Strausberger Platz fotografiert, nun ist sie in Teschendorfs Laden unter der Rubrik „Produkte sortiert nach Sehenswürdigkeiten“ zu finden. „Die Liege verkauft sich auch im Ausland gut“, erzählt die 32-jährige ehemalige Aufnahmeleiterin. Dort habe man längst mitbekommen, dass in Berlin interessante Produkte entstehen.

Berlin-Design im Internet:

www.s-wert-design.de

www.eintaginberlin.de

www.ausberlin.de

Christine Berger

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