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Deutsch-deutsche Geschichte: Dauerausstellung im Tränenpalast eröffnet

Einst Grenzübergang, später Disko, heute Ausstellungsort: Der Tränenpalast öffnet mit einer neuen Schau. Sie erinnert an die Jahre, in denen die DDR-Behörden hier Ausreisende schikanierten.

Rund zehn Millionen Menschen in 28 Jahren – wie viele Abermillionen von Tränen müssen das gewesen sein? Von einigen dieser Menschen, ihren Tränen, ihrem Schmerz und ihrer Angst, ihrer Sehnsucht und Hoffnung erzählt die neue Dauerausstellung „GrenzErfahrungen. Alltag der deutschen Teilung“, die ab dem heutigen Donnerstag in der ehemaligen Ausreisehalle der Grenzübergangsstelle neben dem Bahnhof Friedrichstraße zu sehen ist. Im Vorfeld der Ausstellungseröffnung am Mittwochabend im so genannten „Tränenpalast“ kamen auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und Kulturstaatsminister Bernd Neumann (beide CDU).

Seine Spitznamen wie Tränenpalast oder Tränenhalle bekam der 1962 vom SED-Regime in Betrieb genommene und nach der Wende dann als Club genutzte trapezförmige Pavillon aus Stahl, Glas und Keramik, weil die Bürger der DDR hier ihre Verwandten und Freunde aus dem Westen verabschieden mussten, selbst aber kaum Hoffnung hatten, jemals die Grenzstation in Richtung Westen passieren zu dürfen. „Wenn der sogenannte West-Besuch durch diesen Tränenpalast wieder nach Hause fuhr, wusste man nie ganz genau, ob man sich wiedersehen wird“, erinnert sich Merkel, die Ende der Siebziger Jahre nach ihrem Physikstudium in Leipzig nach Ost-Berlin kam und in der Marienstraße nahe des Bahnhofs Friedrichstraße wohnte.

„Ich fuhr von dort mit der S-Bahn nach Adlershof zur Arbeit. Was ich auf dem Ost-Bahnsteig allmorgendlich von der Westseite Berlins mitbekam, waren eine dicke Wand und das Bellen der Wachhunde“, erzählt Merkel. Sie selbst habe Jahr für Jahr mit ihren Eltern am Tränenpalast ihre Großmutter verabschiedet, immer in der Angst, sie im nächsten Jahr nicht mehr wiederzusehen.

Die Kontrollen der Ausreisenden durch die DDR-Zollbeamten waren meist schikanös und willkürlich, Ganzkörperkontrollen häufig. Es ging um die gezielte Vermittlung des Gefühls, einem allmächtigen Kontrollapparat machtlos ausgeliefert zu sein. Für viele, gerade für Ältere oder Kranke, eine Tortur: Über 200 Menschen sollen hier von 1962 bis zum Fall der Mauer an einem Herzinfarkt oder einem Kreislaufkollaps gestorben sein, berichten die Organisatoren der Schau von der Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.

Lesen Sie auf Seite 2, wie es einem Zeitzeugen ergeht, der zum ersten Mal in den Tränenpalast zurückkehrt.

Neben einer originalen Grenzabfertigungskabine präsentiert die chronologisch angeordnete, auch Mauerbau und Mauerfall streifende Ausstellung vor allem Zeitzeugen-Interviews und zahlreiche Zeitdokumente wie Fotos, Videos, Tagebüchern, Kalendernotizen sowie etliches Originalmaterial aus dem Kontrollalltag. Es entsteht ein Kaleidoskop aus Biographien, Geschichten und Eindrücken, das dem Besucher vermittelt, wie beklemmend, einschüchternd und entwürdigend der eventuell stundenlange Aufenthalt für die Ausreisenden war und was es bedeutet hat, hier vielleicht dennoch die Flucht aus der DDR zu wagen - die durch den Tränenpalast nur in wenigen Ausnahmefällen gelang. Zum Beispiel einem Jungen, dessen Mutter ihn wagemutig in einem Koffer durch die Kontrollen schmuggelte.

Das größte Exponat ist allerdings der denkmalgeschützte Tränenpalast selbst, der nach der Schließung des gleichnamigen Clubs im Juli 2006 im Rahmen der Bauarbeiten zum Spreedreieck jahrelang hinter Bauzäunen versteckt lag und nun manche Besucher in eine andere Zeit zurückwirft: Zeitzeuge Manfred Migdal erinnert sich noch genau an das schreckliche Gefühl, in der klaustrophobisch engen Abfertigungskabine darauf zu warten, „dass der Beamte endlich den Ausreisestempel auf den Pass knallt“.

„Danach dann endlich aufatmen. Erleichterung, in der Freiheit zu sein. Bis zum nächsten Mal“, erzählt der 69-Jährige, der nach drei misslungenen Fluchtversuchen 1971 von der Bundesrepublik freigekauft worden war. Seine Frau und die vier Kinder konnten erst drei Jahre später nachkommen, Migdal hat sie an jedem Wochenende in Ost-Berlin besucht. Den Tränenpalast hat er seit diesen schweren Tagen nun zum ersten Mal wieder betreten. Er sagt: „Mir läuft ein Schauer über den Rücken, alles ist wieder da.“

Die Ausstellung ist zu sehen am Reichstagsufer 17, Dienstag bis Freitag von 9 bis 19 Uhr, Sonnabend, Sonntag und an Feiertagen von 10 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei. Mehr Informationen gibt es unter www.hdg.de.

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