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Kooperation. Die Polizei beidseits der Grenze wird besser vernetzt. Foto: Michael Urban/dapd

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Deutsch-polnische Polizei-Kooperation: Verfolgungsjagd über Oder und Neiße

Im kommenden Jahr soll es einen neuen Polizeivertrag mit Polen geben. Fahnder dürfen dann Verbrecher im jeweiligen Nachbarland festnehmen.

Von Sandra Dassler

Berlin/Potsdam - Der BMW bremste, als ihn zwei Polizisten von der A12 auf den Parkplatz Biegener Hellen herauswinkten. Kurz vor den Beamten trat der Fahrer jedoch aufs Gaspedal und scherte wieder auf die Autobahn ein. Die Beamten, die sofort die Verfolgung aufnahmen, wussten nach raschem Abgleich des Kennzeichens auch den Grund der Flucht: Der Wagen war am Vortag in Brüssel als gestohlen gemeldet worden.

Die deutschen Polizisten unterrichteten ihre Kollegen im gemeinsamen deutsch-polnischen Zentrum für Polizei- und Zollzusammenarbeit in Swiecko und verfolgten den Wagen. 30 Kilometer hinter der Grenze ging diesem das Benzin aus, der Fahrer flüchtete in einen Wald. „Unsere Kollegen hätten den Fahrer zwar festhalten, aber nicht festnehmen können“, sagt Hartmut Lietsch, der Beauftragte für deutsch-polnische Kooperation im Polizeipräsidium Frankfurt (Oder).

Das soll sich nun bald ändern. Am Donnerstag kündigte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) bei einem Treffen mit seinem polnischen Amtskollegen Jerzy Miller in Zgorzelec einen neuen deutsch-polnischen Polizeivertrag an. 2011 soll er vorliegen und unter anderem die Möglichkeit enthalten, dass Polizisten Tatverdächtige auf dem Territorium des jeweils anderen Staates künftig auch festnehmen können.

Bislang gelten für Polen und Deutschland die in Artikel 41des Schengener Abkommens (SDÜ) festgelegten Regelungen für die sogenannten grenzüberschreitenden Nacheile. Danach müssen die Beamten Kontakt mit den Behörden des anderen Staates aufnehmen und diese unterrichten. Sie dürfen die Personen nicht festnehmen und nur festhalten, bis die örtlichen Behörden herangezogen werden können. Von der Dienstwaffe darf nur bei Notwehr Gebrauch gemacht werden, der Täter muss auf frischer Tat überführt oder aus der Haft entflohen sein.

In bilateralen Abkommen haben viele Staaten das Schengener Abkommen konkretisiert, sagt ein Sprecher des brandenburgischen Innenministeriums. Zwischen Deutschland und Polen gelte das Gesetz über die Zusammenarbeit der Polizeibehörden und der Grenzschutzbehörden vom 18. Februar 2002. Darin ist festgelegt, dass sich das Nachteile-Recht auf das gesamte Territorium Polens beziehungsweise Deutschlands erstreckt. Polnische Polizisten dürften also einen Verbrecher theoretisch bis an die französische Grenze verfolgen und ihre deutschen Kollegen bis zur ukrainischen.

Praktisch wird das kaum vorkommen, sagt Hartmut Lietsch: „Bei langen Verfolgungsfahrten ist die Polizei des jeweiligen Landes einfach schneller und kompetenter.“ So sehe man öfter mal ein polnisches Polizeiauto in Frankfurt an der Oder, aber selten in Frankfurt am Main.

Manchmal schützen auch die unterschiedlichen Rechtssysteme einen Verbrecher vor Verfolgung über die Grenze hinweg. Denn eine weitere Voraussetzung dafür ist, dass es sich um eine Straftat handeln muss, die mit mindestens einem Jahr Freiheitsentzug bestraft wird. So gilt in Polen Benzindiebstahl bis zu 250 Zloty (etwa 65 Euro) nur als Ordnungswidrigkeit. Die polnischen Polizisten dürften also einen Tankstellen-Dieb nicht über die Grenze bis Guben oder Forst verfolgen. Ungeschoren kommen die Diebe natürlich trotzdem nicht davon, das übernehmen dann deutsche Behörden.

Das neue Abkommen mit Polen soll nun die Nachteile auch zur Verfolgung von Personen erlauben, die sich „nur“ einer Grenz- oder anderen Kontrolle innerhalb einer Entfernung von höchstens 150 km bis zur Grenze entziehen, wenn dadurch Gefahr für die öffentliche Sicherheit besteht. Dies solle auch mit Luft- und Wasserfahrzeugen möglich sein, hieß es im Bundesinnenministerium. Auch dürften die Polizisten des jeweiligen Nachbarlandes bei gemeinsamen Streifen und zur Gefahrenabwehr die hoheitlichen Befugnisse unter der Leitung von Beamten des Gebietsstaates wahrnehmen können.

Schließlich sollen bestimmte Maßnahmen, unter anderem auch grenzüberschreitende Observation, im Eilfall auch ohne vorheriges Einverständnis des Nachbarstaates zulässig sein. Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen befürchten, dass dies vor allem Asylsuchende betreffen könnte, die von Polen nach Deutschland wollen.

„Das ist Sache der Bundespolizei“, sagt Hartmut Lietsch. Er und seine Kollegen von der brandenburgischen Landespolizei können sich durchaus vorstellen, dass die Verbrechensbekämpfung durch das neue Gesetz effektiver wird. Zwar kann die gemeinsame deutsch-polnische Dienststelle schon Erfolge aufweisen, aber gerade bei der Eindämmung des Autodiebstahls gibt es noch viel zu tun. Man habe weiter steigende Zahlen, sagt ein Polizeisprecher. Die gestohlenen Wagen würden nur noch selten in Polen bleiben, sondern weiter ins Baltikum, nach Russland und angeblich sogar bis in den Iran gebracht. Da dies alles sehr schnell gehe, wäre eine Gesetzesanpassung schon wichtig, findet Hartmut Lietsch.

Das gelte auch für die neuen Möglichkeiten des Internets und für DNA-Vergleiche. Gerade bei schweren Gewaltverbrechen dauere es oft zu lange, bis man die Auswertung einer im Nachbarland gefundenen Blutspur erhalte. Sandra Dassler

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