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Ein Teilnehmer der Demonstration trägt eine Weste mit der Aufschrift "Deutsche Wohnen Co enteignen!".

© Monika Skolimowska/zb/dpa

Update

„Deutsche Wohnen & Co. enteignen!“: Innenverwaltung erklärt Volksbegehren zur Enteignung für zulässig

Das Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co. enteignen!“ ist zulässig. Eine große Unterschriftensammlung könnte damit schon bald beginnen.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Nach monatelangen rechtlichen Prüfungen hat die Berliner Innenverwaltung ein geplantes Volksbegehren zur Enteignung großer Wohnungskonzerne für zulässig erklärt. Das teilte die Verwaltung am Donnerstag mit. Damit könnte eine großangelegte Unterschriftensammlung in wenigen Monaten beginnen.

Wie schon beim jüngst beschlossenen Mietendeckel würde Berlin auch damit komplettes Neuland betreten. Zunächst muss sich allerdings der rot-rot-grüne Senat zu dem bundesweit einmaligen Vorhaben positionieren, danach das Abgeordnetenhaus.

Die Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ wolle erreichen, den Senat unverbindlich aufzufordern, „alle Maßnahmen einzuleiten, die zur Überführung von Immobilien sowie Grund und Boden in Gemeineigentum zum Zwecke der Vergesellschaftung [...] erforderlich sind“, heißt es in der Mitteilung.

Sie will Unternehmen „vergesellschaften“, die mehr als 3000 Wohnungen besitzen, und das mit einem Volksbegehren durchsetzen. In einem ersten Schritt hatte sie im Vorjahr 77.000 Unterschriften eingereicht, um den Start des Volksbegehrens zu beantragen. Die vorgeschriebene rechtliche Prüfung durch die Innenverwaltung zog sich bereits seit deutlich mehr als einem Jahr hin.

Nach Angaben der Innenverwaltung hat die Zulässigkeitsprüfung ergeben, dass das Volksbegehren formal zulässig ist. Es liege eine ausreichende Zahl von Unterstützungsunterschriften vor. Es sei auf einen „sonstigen Beschluss im Rahmen der Entscheidungszuständigkeit des Abgeordnetenhauses“ gerichtet und wäre im Erfolgsfall für den Senat formal unverbindlich.

Organisatoren des Volksbegehrens sind optimistisch

Nach langem politischen und juristischen Streit hatte sich die Innenverwaltung am 22. Juli mit der Initiative informell auf einen Abstimmungstext geeinigt. Trotzdem dauerte es noch weitere acht Wochen, bis die amtliche Zulassung erfolgte, die vom Senat noch bestätigt werden muss. Dies könnte am nächsten Dienstag geschehen.

Die Organisatoren des Volksbegehrens sind optimistisch und rechnen damit, dass sich eine Mehrheit der Berliner Bevölkerung für ihre weitreichenden Forderungen aussprechen wird. Es steht allerdings kein bindender Gesetzentwurf zur Abstimmung, sondern ein "sonstiger Beschluss", wie es im Berliner Abstimmungsgesetz heißt.

Sollte das Volksbegehren tatsächlich erfolgreich sein, kann der Senat damit politisch unter Druck gesetzt, aber nicht zur Enteignung von Immobilienkonzernen rechtlich gezwungen werden.

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Im Abstimmungstext, der von der Innenbehörde jetzt als juristisch zulässig eingeordnet wurde, heißt es dazu: "Daher wird der Senat von Berlin aufgefordert, alle Maßnahmen einzuleiten, die zur Überführung von Immobilien sowie Grund und Boden in Gemeineigentum zum Zweck der Vergesellschaftung nach Artikel 15 Grundgesetz erforderlich sind". Dies solle für Immobilien in Berlin und für Grundstücke gelten, auf denen sie errichtet sind. Dies gelte für Wohnungen, die durch einen Eigentümer "in einem Umfang gehalten werden, der als vergesellschaftungsreif definiert wird".

Jetzt kann die zweite Stufe des Volksbegehrens starten

Schon im Juni 2019 hatte die Initiative für ihr Enteignungsbegehren etwa 77.000 Unterschriften gesammelt, notwendig waren 20.000 gültige Unterschriften. Jetzt kann die zweite Stufe des Volksbegehrens starten, wobei gesetzliche Fristen zu beachten sind. Nach dem Senatsbeschluss hat das Abgeordnetenhaus vier Monate Zeit, um zum Antrag Stellung zu nehmen.

Wenn das Parlament die Forderungen der Initiative nicht im Kern übernimmt, findet das Volksbegehren statt. Innerhalb von vier Monaten müssen sieben Prozent der wahlberechtigten Berliner die Forderungen auf Enteignung unterstützen. Im Erfolgsfall findet binnen weiterer vier Monate ein Volksentscheid statt - also frühestens im Sommer 2021.

Das Ziel der Initiatoren ist es, die Abstimmung am selben Tag wie die Bundestags- und Abgeordnetenhauswahl durchzuführen, also im September nächsten Jahres. Mit den Konsequenzen aus einem erfolgreichen Enteignungs-Volksentscheids müsste sich dann die nächste Landesregierung befassen. (mit dpa)

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