zum Hauptinhalt

Berlin: Deutschkurse werden nicht Pflicht

Jeden Montag im Tagesspiegel: ein Rückblick auf die in Berlin erscheinenden türkischen Tageszeitungen. Von Weihnachtsstimmung war in den türkischen Zeitungen vor Heiligabend nichts zu spüren.

Jeden Montag im Tagesspiegel: ein Rückblick auf die in Berlin erscheinenden türkischen Tageszeitungen.

Von Weihnachtsstimmung war in den türkischen Zeitungen vor Heiligabend nichts zu spüren. Die meisten Menschen islamischen Glaubens hatten andere Sorgen. „Beim Zuwanderungsgesetz fängt alles noch einmal von vorn an“, stellte die Zeitung Türkiye in großen gelben Buchstaben auf ihrer Titelseite am Donnerstag fest. Das Zuwanderungsgesetz kann Anfang 2003 nicht in Kraft treten, weil das Bundesverfassungsgericht die Abstimmung im Bundesrat als verfassungswidrig einstuft. Was erwartet die Türken nun? Die Frage beschäftigte die Blätter in der vergangenen Woche am meisten.

Im Innenteil der Türkiye bekam der Leser das Thema auf einer ganzen Zeitungsseite ausführlich und sachlich präsentiert. „Einerseits hat dieses Urteil die Ausländerämter (Ordnungsamt, Ausländerbehörde), die Blut und Wasser geschwitzt haben, damit sie es schaffen, bis zum 1. Januar fit für das neue Gesetz zu sein, zutiefst erstaunt. Andererseits haben sie jetzt mehr Zeit für die Vorbereitungen“, berichtete das Blatt. Darüber hinaus zitierte die Türkiye Politiker aller Parteien und spiegelte die Debatte in Deutschland wider.

Hürriyet druckte den Beitrag über Zuwanderung am Donnerstag mit einem rotgelben Stern. Damit weist die Zeitung auf besonders wichtige Themen hin. „Keine Zustimmung für das umstrittene Gesetz“, hieß es, und im Stern darunter stand: „Nachzugsalter für Kinder nicht auf 12 Jahre gesenkt, Deutschkurse werden nicht Pflicht.“ In dem Blatt beschäftigte sich auch ein Kolumnist mit den Problemen. „Schauen wir zuerst, welche Nachteile wir durch das neue Gesetz gehabt hätten. (…) Auf der einen Seite hätten wir von den Integrationskursen profitiert. Aber gleichzeitig hätte das auch geheißen, dass Menschen mit geringer Bildung hierzulande nichts zu suchen haben.“ Die folgenden Sätze sollten Verständnis für diese Bevölkerungsgruppe wecken. „Erinnern wir uns: Einst standen den Anatolen, die gerade Mal drei Schuljahre hinter sich hatten, die Haare zu Berge, wenn sie ‚Deutschkurs‘ hörten. Wie hätten Menschen, die nicht einmal die elementarsten Regeln ihrer Muttersprache kannten, eine Sprache, die voller ,der, die, das‘, ,Akkusativ und Dativ‘ ist und zudem zur Hälfte aus Ausnahmeregeln besteht, so erlernen sollen, wie es von ihnen verlangt wurde.“

Unter den 10 000 hoch qualifizierten jungen Menschen, die bisher von der eingeschränkten und befristeten Zuwanderung durch die Greencard profitiert hätten, seien gerade Mal 180 Türken, wusste der Schreiber zu berichten. Und schließlich stellte er zum Schluss resigniert fest: „Dieses Gesetz hätte keine Zuwanderer hierher gebracht, sondern im Vergleich zu früher strengere Regeln beinhaltet. Jetzt muss sich die SPD mit der CDU einigen. Warten wir ab, was alles noch passieren wird.“

Suzan Gülfirat

Zur Startseite