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Berlin: Diät mit Sahnehäubchen für PDS-Abgeordneten

Mit einhelliger Empörung haben Vertreter aller Parteien im Abgeordnetenhaus auf einen Spruch des Landessozialgerichts vom Freitag reagiert. Das Gericht hatte am Morgen entschieden, dass dem PDS-Abgeordneten Walter Kaczmarczyk neben seinen Abgeordnetendiäten auch Arbeitslosengeld für zwei Jahre zusteht.

Mit einhelliger Empörung haben Vertreter aller Parteien im Abgeordnetenhaus auf einen Spruch des Landessozialgerichts vom Freitag reagiert. Das Gericht hatte am Morgen entschieden, dass dem PDS-Abgeordneten Walter Kaczmarczyk neben seinen Abgeordnetendiäten auch Arbeitslosengeld für zwei Jahre zusteht. Nach Auskunft seines Rechtsanwaltes darf sich der Politiker über eine Nachzahlung von rund 30 000 Mark freuen, die ihm das Arbeitsamt bislang verweigert hatte.

Vertreter von CDU, SPD, Grünen und auch der PDS verurteilten das Verhalten des Politikers als maßlos und schädlich für das öffentliche Ansehen des Parlaments. Unterdessen bestätigte die Verwaltung des Abgeordnetenhauses, dass auch ein zweiter PDS-Politiker kürzlich auf Zahlung von Arbeitslosengeld geklagt hatte. Der PDS-Fraktion sei der Fall allerdings nicht bekannt, sagte deren Sprecher Günter Kolodziej.

Kaczmarczyk verteidigte seine Forderung im Gespräch mit dem Tagesspiegel als gerechtfertigt. Der 63-jährige frühere Berufsoffizier der DDR-Grenztruppen sitzt seit 1995 im Abgeordnetenhaus und hatte bis 1997 eine befristete ABM-Stelle. Nach deren Auslaufen erhielt er eine Zeit lang Arbeitslosengeld, erschien dann aber zu zwei Meldeterminen nicht. Daraufhin stellte das Arbeitsamt die Zahlungen ein. Als Grund wurde dafür gestern auch genannt, dass seine Entschädigung mit monatlich 5100 Mark sowie einer steuerfreien Kostenpauschale von 1460 Mark deutlich die zulässige Nebenverdienst-Grenze übersteige. In dieser Sache traf das Gericht aber keine Entscheidung. Stattdessen stellte es einen Formfehler des zuständigen Arbeitsamtes fest. Daraufhin zog die Bundesanstalt für Arbeit ihre Berufungsklage gegen die Zahlung zurück.

"Das ist irre", stellt der CDU-Abgeordnete Fritz Niedergesäß nach der Gerichtssitzung spöttisch fest. "Ich verstehe nicht, wie jemand überhaupt auf die Idee kommen kann, neben seinen Diäten noch Arbeitslosengeld einzuklagen." Zwar bleibe von den Diäten nach Abzug aller Abgaben tatsächlich nicht viel übrig: Niedergesäß zufolge rund 2500 Mark netto. "Aber eine Verkäuferin oder ein Wachmann bekommen noch weniger - wie sollen wir denen das erklären?" Auch die Grünen-Fraktionschefin Sibyll Klotz spricht von einer "Peinlichkeit besonderer Güte". Durch seine Parlamentszugehörigkeit habe sich Kaczmarczyk ohnehin das Anrecht auf beachtliche Übergangsgelder erworben.

Einen großen Schaden für "den Ruf der politischen Klasse" befürchtet der SPD-Parlamentarier Christian Gaebler: "Als Abgeordneter muss man mit solchen Ansprüchen sehr sensibel umgehen", sagt er. Zwar werde die Arbeit als Abgeordneter nicht groß entlohnt - aber es reicht aus". Kaczmarczyk habe aus persönlichem Interesse eine Gesetzeslücke ausgenutzt, ohne darauf angewiesen zu sein: "Damit hat er sich und allen anderen Politikern keinen Gefallen getan."

Der Betroffene hingegen sieht sich zu Unrecht zum Sündenbock gemacht. "Es geht nicht um eine einzelne Nachzahlung, sondern um das gesamte soziale Recht für Berliner Abgeordnete", sagte Walter Kaczmarczyk, der übrigens seit einem Jahr neben seinen Diäten eine Frührente bezieht. Der Verkehrspolitiker will mit seinem Fall darauf aufmerksam machen, dass Landtags-Abgeordnete in Berlin sozial und finanziell nicht genügend abgesichert sind. "Ich habe von Kollegen aller Fraktionen gehört, dass sie ähnliche Erfahrungen gemacht haben."

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