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Berlin: Diagnose: Querschnittsgelähmt

Ungewöhnliche Häufung von schweren Badeunfällen. In nur zwei Wochen verunglückten fünf junge Menschen

Querschnittsgelähmt. Selbst erfahrene Intensivmediziner, die schon viel erlebt haben, nennen diese Diagnose „eine Katastrophe“. „Das Gehirn ist voll funktionsfähig, doch der Rest des Körpers ist bewegungsunfähig“, sagt Walter Schaffartzik, Direktor der Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie am Unfallkrankenkhaus Berlin (UKB). Fünf Patienten – zwei 15 und 16 Jahre alt, der älteste ist 29 – hat er in den vergangenen zwei Wochen behandelt, alle mit gebrochenem Halswirbel nach einem Badeunfall in Brandenburger Seen. Der jüngste Patient kam vor drei Tagen ins UKB. Eine erschreckende, außergewöhnliche Häufung nennt das Schaffartzik.

Ein Opfer zum Beispiel rutschte mit dem Kopf vorneweg eine Kinderrutsche hinunter, prallte in dem knietiefen Wasser mit dem Schädel auf den Grund – und ist seit dem querschnittgelähmt. Oder das Mädchen, das mit seiner Tanzgruppe im flachen Wasser eine menschliche Pyramide einübte und von deren Spitze kopfüber ins kühle Nass sprang. Auch sie wird wahrscheinlich ein Leben lang auf einen Rollstuhl angewiesen sein.

Schaffartzik kann sich diese Häufung nicht erklären – fünf fast gleichartige Badeunälle in zwei Wochen. Zum Vergleich: Im gesamten vergangenen Jahr mit seinem extrem lang anhaltenden, heißen Sommer waren es sechs. Eines aber sei auffällig: Immer häufiger spielten Drogen bei diesen Unfällen eine Rolle.

Jeden Sommer warnen Hilfsorganisationen und Ärzte, nicht kopfüber in flache oder unbekannte Gewässer zu springen – bei manchen vergebens. „Selbst nach vorn ausgestreckte Arme bieten keinen ausreichenden Schutz, weil sie oft reflexartig zur Seite genommen werden“, sagt Andreas Niedeggen, Chefarzt des Behandlungszentrums für Rückenmarksverletzte am UKB. Wenn der Kopf auf den Grund, einen Stein oder ein anderes Hindernis prallt, dann hält in einigen Fällen der fünfte Halswirbel dieser plötzlichen Belastung nicht stand. „Er zerplittert wie nach einem Hammerschlag“. Die Folge: Teile des Rückenmarks werden zerstört, die Verbindung von Gehirn und Körper unterhalb des Halses wird gekappt. Die Patienten müssen dann sehr schnell auf die Intensivstation. „Wir versuchen, den zerstörten Halswirbel operativ durch ein Stück Knochen aus dem Becken zu ersetzen“, sagt Niedeggen. So soll der Druck vom Rückenmark genommen werden, um zu verhindern, dass noch mehr Zellen absterben. Doch was zerstört ist, das wachse nicht mehr nach. Auch die fünf Opfer werden wohl ihr restliches Leben an den Rollstuhl gefesselt bleiben.

Das UKB ist auf diese Behandlung spezialisiert, jährlich werden hier rund 470 Querschnittgelähmte therapiert. Auch Psychologen kümmern sich um die stark belasteten Patienten.

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