Berlin: Die 300 Nebenjobs der Spitzenpolitiker
Berlins Senatoren und Staatssekretäre sind mit ihrer normalen Arbeit allein nicht ausgelastet.Sie müssen die Zeit finden, zusätzlich fast 300 Vorstands- und Aufsichtsratsfunktionen auszuüben.
Berlins Senatoren und Staatssekretäre sind mit ihrer normalen Arbeit allein nicht ausgelastet.Sie müssen die Zeit finden, zusätzlich fast 300 Vorstands- und Aufsichtsratsfunktionen auszuüben.Spitzenreiter dabei ist Peter Radunski, Senator für Wissenschaft, Forschung und Kultur.Er bringt es auf 44 Nebentätigkeiten, mit Abstand folgen 26 von Innensenator Eckart Werthebach und 22 von Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing.
Vergleichsweise genügsam ist der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen mit 18 zusätzlichen Funktionen.Bausenator Jürgen Klemann hat nur drei, während sein Staatssekretär Ulrich Arndt mit elf anderen Posten beschäftigt ist.Wer in seiner Funktion als Senatsmitglied oder Staatssekretär in welchen Vereinen, Unternehmen und Institutionen im Vorstand oder Aufsichtsrat sitzt, hat der PDS-Abgeordnete Benjamin-Immanuel Hoff wissen wollen.Die Antwort des Innensenators füllt acht DIN-A-4-Seiten.
Senatoren dürfen nach Senatorengesetz neben ihrem Amt keine Beschäftigung berufsmäßig ausüben, weder Leitung noch Aufsichtsrat, Verwaltungsrat oder einem sonstigen Organ oder Gremium "eines auf Erwerb ausgerichteten Unternehmens" angehören.Bei einem dringenden öffentlichen Interesse kann der Senat von diesem Verbot, ausgenommen einer Unternehmensleitung, Ausnahmen zulassen.Die jährlichen Vergütungen, soweit sie den Bruttobetrag von 12 000 Mark überschreiten, müssen unverzüglich an den Landeshaushalt abgeführt werden.Fast alle Nebentätigkeiten, so heißt es in der Antwort auf die Kleine Anfrage, würden allerdings unentgeltlich oder unterhalb des Schwellenwertes wahrgenommen.
Im Büro von "Spitzenreiter" Radunski, der heute beispielsweise im Sitzungsrat Preußischer Kulturbesitz beschäftigt ist, wird betont, daß alle diese Nebentätigkeiten mit keinen zusätzlichen Vergütungen verbunden sind, weil sie von vornherein zum Amt gehörten.Es sei alles eine Frage des "Termin-Managements", allerdings könne Radunski, wie auch andere Senatoren, nicht jede dieser zusätzlichen Funktionen immer persönlich wahrnehmen, sondern müsse sich dann vertreten lassen.
Wo Berlins führende Politiker engagiert sind, führt die Liste der Innenverwaltung genau auf: Beim Regierenden Bürgermeister etwa reicht die Spanne von der Berlin-Brandenburg-Flughafen-Holding bis zur Stiftung Preußische Seehandlung, vom Präsidium der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen bis zum Kuratoriumsmitglied im Deutschen Museum München.
Finanzsenatorin Fugmann-Heesing ist beispielsweise in Landesbank und Bankgesellschaft präsent, in den Bäderbetrieben, in der Deutschen Klassenlotterie; sie arbeitet in Hochschul-Kuratorien oder amtiert als Aufsichtsratsmitglied der Feuersozietät.
Wirtschaftssenator Wolfgang Branoner sitzt in dieser Funktion unter anderem bei den Stadtreinigungsbetrieben, der BVG oder der Berlin-Tourismus-Marketing-Gesellschaft.Gesundheitssenatorin Beate Hübner ist Stiftungratsmitglied im Deutschen Herzzentrum, Kuratoriumsmitglied in Hochschulen, auch im Lette-Verein.Bei Innensenator Eckart Werthebach reicht die Spanne etwa vom Beirat für die Anerkennung und Versorgung von Verfolgten des Nationalsozialismus über die Deutsche Klassenlotterie Berlin bis zum Kuratoriumsmitglied der Staatlichen Wirtschaftsfachschule für Hotellerie und Gastronomie.
Die Staatsekretäre tummeln sich in Aufsichtsräten von Wohnungsbaugesellschaften, bei der Wasserstadt GmbH oder im Verwaltungsausschuß des Landesarbeitsamtes, sie wirken in der Stiftung Hilfswerk Berlin oder beim Deutschen Hilfswerk Hamburg, sind im Beirat der Messe Berlin oder auch im Aufsichtsrat der Innovationsgesellschaft für fortgeschrittene Produktionssysteme in der Fahrzeugindustrie.Senatssprecher Michael-Andreas Butz gehört zu jenen, die wenig zusätzlich zu tun haben.Er ist nur Mitglied im Fernsehrat des ZDF.Bei Innenstaatssekretär Kuno Böse verzeichnet die Liste der Nebentätigkeiten gar das Wort: "keine".
Hier mischt Senator Radunski mit
Berliner Kulturveranstaltungs- und Verwaltungs GmbH
Friedrichstadtpalast GmbH
Haus der Kulturen der Welt GmbH
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrttechnik
Berliner Festspiele GmbH
Stiftung "Japanisch-Deutsches Zentrum Berlin"
Konrad-Zuse-Zentrum für Informationstechnik Berlin
Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung GmbH
Wissenschaftsstiftung Ernst Reuter
Collegium Budapest
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW)
Forschungsverbund Berlin e.V.
Max-Delbrück-Centrum für molekulare Medizin
Stiftung "Mori Ögai Gedenkfonds"
Literarisches Colloquium Berlin e.V.
Literaturbrücke Berlin e.V.
Literaturhaus Berlin e.V.
Hauptstadtkulturförderung
Stiftung "Neue Synagoge Berlin - Centrum Judaicum"
Stiftung Topographie des Terrors
Stiftung Stadtmuseum
Jüdisches Museum
Berlinische Galerie
Bröhan Museum
Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Stiftung Preußische Schlösser und Gärten
Stiftung Preußischer Kulturbesitz
Deutsches Herzzentrum Berlin
Deutsches Rheumaforschungszentrum
Kulturstiftung der Länder
Stiftung Preußische Seehandlung
und 12 weitere Tätigkeiten in Kuratorien der Universitäten, Hochschulen und Fachhochschulen, als Mitglied oder Vorsitzender.
CHRISTIAN VAN LESSEN
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