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Foto: Thilo Rückeis

© Thilo RŸckeis TSP

Berlin: Die Allzweckwaffe

Der neue Eröffnungstermin ist riskant, das Durcheinander am BER groß. Da taucht der Name eines bekannten Bauleiters auf Am Hauptbahnhof hat Azer sein Ziel erreicht.

In Krisenzeiten greift man gern nach jedem Strohhalm. Und besonders gern greift man auf jemanden zurück, der sich schon einmal auf einer Großbaustelle in Berlin bewiesen hat.

In Flughafenkreisen wird in den vergangenen Tagen immer wieder der Name eines in der Branche bekannten Mannes genannt: Hany Azer. Der 62-jährige Bauingenieur hatte die Baustelle des Hauptbahnhofs 2001 in einem ähnlich desaströsen Zustand, wie sie jetzt am Flughafen herrschen, übernommen und den vom damaligen Bahn-Chef Hartmut Mehdorn gesetzten Eröffnungstermin eingehalten. Dafür war Azer vom Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) 2006 mit dem Verdienstorden des Landes Berlin ausgezeichnet worden. Ein Gespräch mit Azer hat der Regierende, der auch Aufsichtsratsvorsitzender der Flughafengesellschaft ist, nach Tagesspiegel-Informationen allerdings noch nicht geführt. Auch Azer lässt Kontakte dementieren. Ob er ein Kandidat sein könnte, ist also noch offen.

Die Flughafenbaustelle so neu zu organisieren, dass der nun gesetzte Eröffnungstermin 17. März 2013 eingehalten werden kann, dürfte derzeit eine der schwierigsten Aufgaben in der Baubranche sein. Dass zwischen dem Eingeständnis, den alten Termin 3. Juni 2012 nicht halten zu können, und dem Versprechen, nun am 17. März 2013 alles besser zu machen, nur wenige Tage lagen, hat die Fachwelt enorm verwundert. Mindestens vier Wochen wären erforderlich gewesen, um sich einen Überblick zu schaffen, sagt ein Insider. Dazu hätten Gespräche mit Planern, Baufirmen und auch Behörden stattfinden müssen. Erst danach sei es möglich, mit gutem Gewissen einen Termin zu verkünden.

Erschwerend kommt jetzt hinzu, dass die Flughafengesellschaft auch der Planungsgemeinschaft Flughafen BBI (pg bbi) fristlos gekündigt hat und auch hier Ersatz finden muss. Der für den Bau zuständige Geschäftsführer der Flughafengesellschaft, Manfred Körtgen, musste ebenfalls gehen. „Viel schlimmer kann es nicht kommen“, heißt es.

Die Flughafengesellschaft ist hingegen überzeugt, die Probleme in den Griff zu bekommen. Die Aufgaben der geschassten Planungsgemeinschaft, zu der sich die renommierten Architekturbüros gmp (Gerkan, Marg und Partner) sowie JSK zusammengeschlossen hatten, soll jetzt zum Teil die flughafeneigene Abteilung Planung und Bau, zu der rund 100 Mitarbeiter gehören, übernehmen. Zudem will die Flughafengesellschaft weiter mit Büros zusammenarbeiten, die bereits bei der Planungsgemeinschaft unter Vertrag standen. Fachleute haben dafür kein Verständnis. „Damit schmort man im eigenen Saft weiter“, sagt ein Experte. Auch diese Mitarbeiter hätten nicht rechtzeitig bemerkt, dass der Termin nicht zu halten war. Wichtig sei „ein Blick von außen“.

Hany Azer ist nach wie vor bei der Bahn beschäftigt und dort beim Vorstand Technik zuständig für Großprojekte in Deutschland und Katar. Unter Führung der Deutschen Bahn soll dort bis zur Fußball-Weltmeisterschaft 2022 für 17 Milliarden Euro ein neues Bahnnetz entstehen. In Berlin war Azer zunächst Projektleiter für den Bau des Tiergartentunnels, zu dem Röhren für die Bahn, die U-Bahn und die Bundesstraße B 96 gehören. Problemlos war der Bau nicht; 1997 gab es am Schöneberger Ufer einen Wassereinbruch in einem im Rohbau fertigen Abschnitt. Anschließend übernahm Azer die Leitung beim Bau des Hauptbahnhofs, seine Vorgänger hatten entnervt aufgegeben oder mussten gehen, weil das Projekt nicht vorankam. Nachdem Azer sich in die Unterlagen eingewühlt hatte, war für ihn klar: Der vorgesehene Eröffnungstermin 26. Mai 2006 war nur zu halten, wenn die Arbeit beschleunigt und unter anderem das Dach verkürzt würde. Der damalige Bahn-Chef Hartmut Mehdorn stimmte zu. Hinterher stellte sich allerdings heraus, dass auch das komplette Dach in der vorgesehenen Zeit zu schaffen gewesen und sogar billiger gekommen wäre. Alle Teile waren produziert; die nicht eingebauten lagern nutzlos am Ostbahnhof. Verlängern will die Bahn das Dach aber jetzt nicht mehr.

Nach der pünktlichen Eröffnung des Nord-Süd-Tunnels war Hany Azer zuständig für den Umbau des Ostkreuzes, für den Bau der S-Bahn-Strecke vom Nordring zum Hauptbahnhof sowie für die Schienenanbindung des neuen Flughafens in Schönefeld. 2008 übernahm er das umstrittene Projekt „Stuttgart 21“, das er 2011 laut Bahn wegen Beschimpfungen und Morddrohungen aufgab. Zeitweise hatte er Personenschutz.

Der gebürtige Ägypter war 1973 nach Deutschland gekommen, studierte zunächst Medizin und sattelte dann auf Bauingenieur um. Mit seinen Mitarbeitern ging er nicht immer zimperlich um. Beschwerden gab es mehrfach. Auch Eitelkeit wird ihm vorgeworfen. Seine Ziele aber hat er fast immer erreicht. Selbst ein Herzinfarkt hat ihn nicht gestoppt.

Und Wowereit, von dem keine Stellungnahme zu erhalten war, kann ihn demnächst treffen: Als Träger des Verdienstordens ist Azer automatisch auf der Gästeliste für das Hoffest des Regierenden am 12. Juni. Klaus Kurpjuweit

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