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Berlin: „Die Amerikaner sagen Berlin eine große Zukunft voraus“

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit über seine Verhandlungen mit Filmfirmen in Hollywood, die Großarena in Friedrichshain und das neue Berliner Haushaltsloch

Die Förderung der Film und Medien-Branche stand im Zentrum Ihres Besuchs während der vergangenen Woche in Los Angeles. Aber außer Kontaktpflege ist nichts dabei herausgekommen.

Doch, der Besuch hat sich gelohnt. Wir haben gesehen, wie hier internationale Filmproduktionen und Studios organisiert sind und welche Technik dahinter steckt. Deswegen können wir besser einschätzen, wie unsere eigenen Chancen sind. Wir hatten wichtige Termine mit Unternehmensvertretern von Sony, die in Potsdam-Babelsberg mit Columbia-Tristar vertreten sind und sich bereits sehr stark für den Medienstandort Berlin engagieren. Bei Universal gibt es auch enge Kontakte über die Universal Music, die in Berlin sitzen. Wir haben Kontakte gepflegt und gleichzeitig um weitere Investitionen für den Standort geworben.

Konkrete Projekte aber sind nicht dabei herausgekommen.

Wir haben mit Vertretern der Anschutz-Gruppe diskutiert, die auch eine Filmproduktion haben. Die haben zwei konkrete Projekte in Berlin vor. Eines ist die Neuverfilmung von „In 80 Tagen um die Welt“. Dafür haben wir Hilfe angeboten. Ich bin sicher, dass diese Produktionen in Berlin stattfinden wird. Was Columbia angeht, so investieren die bereits stark in Berlin. Sie sind von München nach Berlin gekommen. In ihrem Engagement für die Stadt wollten wir die Manager bestärken und zeigen, dass wir das ganz hoch einschätzen.

Was sind die Stärken Berlins in der Medien- und Filmbranche?

Berlin beeindruckt ganz stark durch seine kreative Szene, durch die Kulturlandschaft und durch seine relativ junge Bevölkerung. Die Stadt ist in Bewegung, und das wird auch von außen wahrgenommen. Berlin hat aus Sicht der Amerikaner im Zentrum von Europa eine große Zukunftsperspektive.

Dennoch reicht das noch nicht, damit sich die Amerikaner hier engagieren.

Wir müssen unsere Stärken noch deutlicher herausarbeiten - die Internationalität und Weltoffenheit dieser Stadt sowie ihr liberales Klima. Das sind heute wichtige Faktoren für Standortentscheidungen der Unternehmen. Wir werden uns konzentrieren auf die Bereiche Tourimusförderung und Entertainment mit Sport- und Kulturveranstaltungen, mit Events sowie großen Kongressen und Messen. Berlin muss sich als Erlebnisort internationaler Art präsentieren. Wir haben dabei weltweit starke Konkurrenz. Alle großen Städte kämpfen um die selben Marktsegmente.

Die Anschutz Entertainment Group will auch eine Groß-Arena am Ostbahnhof bauen.

Das ist eine Schlüsselinvestition für Berlin. Wir bekommen ein riesiges Investitionsvolumen für eine Halle in einem Segment, das Berlin dringend braucht. Wir haben es gerade beim Konzert von der Rocklegende Bruce Springsteen erlebt.

Da hätten natürlich viel mehr Karten verkauft werden können, weil es das einzige Konzert in Deutschland war.

Aber die richtige Halle dafür fehlt in Berlin. Wir haben in Los Angeles gesehen, welches Konzept Anschutz hat. Ein Mix aus Sportveranstaltungen, Konzerten und großen Events ist notwendig, um so eine große Halle zu bespielen. Zusammen mit dem, was Universal-Music an der Spree bereits macht und was andere Investoren in diesem Gebiet planen, ist das Anschutz-Projekt eine ganz große Entwicklungsmaßnahme für die Zukunft.

In Berlin warten neue Probleme: Die Steuerschätzung ergibt ein Minus von 1,14 Milliarden Euro.

Die Steuerschätzung fällt so katastrophal aus, wie ich es mir vorgestellt habe. Es gab ja deutliche Hinweise darauf. Das ist eine schlimme Situation, weil es nicht nur ein armes Land wie Berlin trifft, sondern bundesweit viele Schneisen schlagen wird in die öffentlichen Haushalte. Wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, vor allem auf der Bundesebene, damit sich die wirtschaftliche Situation verbessert.

Ist ein Nachtragshaushalt unausweichlich?

Der Haushalt von 22 Milliarden Euro ist durch die Steuerschätzung nicht obsolet geworden. Aber natürlich müssen wir bei unserem Doppelhaushalt die neuen Erkenntnisse berücksichtigen. Wir werden im Senat diskutieren, in welchem Zeitplan wir das machen. Bei der anstehenden Summe gehe ich davon aus, dass wir einen Nachtragshaushalt nicht vermeiden können.

Die Koalition wollte bis 2009 einen ausgeglichenen Haushalt erreichen und die Neuverschuldung auf Null bringen. Das ist unrealistisch geworden durch das neue Finanzloch.

Wir werden alle Anstrengungen unternehmen, um die finanzielle Situation des Landes ins Gleichgewicht zu bringen. Wir werden unsere Hausaufgaben machen müssen. Dazu gehören notwendige Strukturveränderungen wie die Senkung der Personalkosten. Aber die großen Probleme des Landes Berlins können wir nicht alleine tragen. Dafür müssen der Bund und die anderen Länder einstehen. Wir werden nach den Gesprächen mit der Bundesregierung, die höchstwahrscheinlich negativ enden, vor das Bundesverfassungsgericht gehen müssen.

Stehen jetzt neue Kürzungen an?

Wir werden sehen, wie weit im Doppelhaushalt 2002/2003 die Ansätze für strukturelle Einsparungen berührt sind. Danach können wir sagen, wo Anpassungen nötig sind. Ein Bereich sind die Personalkosten. Diese Ansätze werden wir sicher korrigieren müssen. Auch bei Investitionen werden wir weiterhin sehr zurückhaltend sein müssen. Wir werden in allen Bereichen schauen, welche strukturellen Veränderungen möglich sind. Das wird eine Detailarbeit, gleichzeitig werden wir auch die großen Blöcke überprüfen.

Die Giftliste des Finanzsenators wird wieder hervorgeholt?

Nein. Es ist die Aufgabe der Mitarbeiter der Finanzverwaltung, zu überlegen, wo überhaupt theoretisch etwas zu sparen ist. Aber es wird im Senat eine politische Entscheidung geben und eine Schwerpunktsetzung. Diese Entscheidungen, die wir in Ruhe treffen werden, müssen dann von der Koalition getragen werden.

Werden jetzt Studiengebühren eingeführt und Kita-Gebühren erhöht?

Wir wollen bei allen Sparmaßnahmen nicht zuerst da ansetzen, wo die Bevölkerung direkt betroffen ist, sondern dort, wo sich ineffektive Strukturen in der Verwaltung zeigen. Ich will aber zu Maßnahmen jetzt nicht Stellung nehmen, weil wir im Senat erst eine Gesamtbetrachtung vornehmen müssen.

Hat die Steuerschätzung Auswirkungen auf den Solidarpakt? Das neue Einnahmeloch macht jede Sparbemühung zunichte.

Nein, es gibt keine Auswirkungen auf den Solidarpakt. Auch wenn die Steuerschätzung besser ausgefallen wäre, hätte es keine Alternative gegeben zu strukturellen Einsparungen bei den Personalkosten. Wir haben zu hohe Ausgaben, deswegen wollen wir zusätzlich zu den Einsparungen durch frei werdende Stellen weitere 500 Millionen Euro einsparen. Wir haben vernünftige Vorschläge gemacht und daran ändert sich auch nichts durch die Steuerschätzung. Es wird aber hoffentlich nun auch dem Letzten klar, dass es so nicht weiter gehen kann und wir - gerade, wenn wir in Karlsruhe klagen wollen - unsere Ausstattungsvorsprünge abbauen müssen. Warum sollen denn die Menschen in München oder Rostock bei sich Streichungen vornehmen, um bei uns Maßnahmen zu finanzieren, die sie bei sich selbst schon längst nicht mehr bezahlen können? Deswegen gibt es zu unseren eigenen Haushaltskonsolidierungen keine Alternative.

Das Gespräch führte Gerd Nowakowski

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