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Berlin: Die anderen Facetten

Rund um den Nollendorfplatz wird gefeiert Doch Anwohner machen sich so ihre Gedanken.

Von Fatina Keilani

Sie tragen Badehosen, sind am ganzen Körper gelb angemalt und haben Flügel auf dem Rücken. Klar, sie sollen die „gelben Engel“ des ADAC darstellen und mächtig auffallen, was aber gar nicht so leicht ist an diesem Sonnabend. Denn hier auf dem Motzstraßenfest in Schöneberg gibt es noch viel mehr Männer, die halbnackt oder ziemlich schräg verkleidet durch den Kiez laufen. Mittendrin hat die evangelische Kirche einen Stand aufgebaut.

Alles schön tolerant also im entspannten Schöneberg? Nun, der Kiez rund um den Nollendorfplatz hat auch noch andere Facetten, und auch darüber reden sie hier. Birgit Klostermeier, Superintendentin des Kirchenkreises Schöneberg, steht an diesem verregneten Sonnabend selbst am Stand und berichtet von den Veränderungen am Beispiel dessen, was in den beiden Kirchengemeinden Zwölf Apostel und Apostel Paulus sichtbar wird. In der Zwölf-Apostel-Kirche an der Kurfürstenstraße – nördlich des Nollendorfplatzes – bekomme man hautnah mit, wie die Prostituierten ausgebeutet werden. „Die Prostitution wird dort immer aggressiver und osteuropäischer“, sagt sie. Da sich die Frauen praktisch nicht allein bewegen könnten, komme man an sie kaum heran, um ihnen zu helfen. Ganz andere Probleme haben die Menschen hingegen im Umkreis der Apostel-Paulus-Kirche am U-Bahnhof Eisenacher Straße. „Hier werden zunehmend Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt“, sagt Birgit Klostermeier. Die vielzitierte Gentrifizierung also, da ist sie wieder.

Man kann diese Entwicklung auch in den Straßen südlich des Nollendorfplatzes sehen, zum Beispiel auf der Maaßenstraße. Wo links neben dem alteingesessenen Café Berio eben noch ein Copy-Shop war, ist jetzt eine Bar, und auch rechts reiht sich ein schickes Lokal ans nächste. „Es wird hier immer teurer, besonders die Mieten“, bestätigt der Kellner.

Allerdings ist hier auch für Kriminelle viel zu holen. Speziell Osteuopäer würden Schwule mit Trickdiebstählen abziehen, berichten Geschäftsleute und Polizei unisono.

Die Anwohner, unter ihnen traditionell viele Schwule, leben hier trotzdem gern. Viele von ihnen haben gute Jobs und können es sich auch leisten, hier zu wohnen. „Diese Region stand immer im Spannungsfeld zwischen dem mondänen Charlottenburg und dem verarmten Kreuzberg“, sagt Bastian Finke, Projektleiter beim schwulen Anti-Gewalt-Projekt „Maneo“, der das Motzstraßenfest vor 20 Jahren als Anti-Gewalt-Maßnahme gründete. „Es ist kein Wunder, wenn die Gentrifizierung hier auch ankommt.“ Noch sei es aber nicht so weit. Fatina Keilani

Die Rechte der Schwulen und Lesben. Ein Spezial im „Sonntag“, Seite 3. Das 20. Lesbisch-Schwulen Stadtfest findet auch am heutigen Sonntag statt – ab 11 Uhr. www.regenbogenfonds.

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