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Berlin: Die Angst, keine Frau mehr zu sein

Ein Gynäkologe hat über 200 Patientinnen befragt, denen eine Entfernung der Gebärmutter bevorstand

Eine ungewöhnliche Frage, eigentlich eine Bitte. „Malen Sie uns Ihre Gebärmutter?“, sagte Michael Adebahr, Gynäkologe in einem Ärztehaus in der Schönstraße in Weißensee. Insgesamt 385 Mal. Denn so viele Frauen bat Adebahr, ihren Uterus zu zeichnen – kurz bevor er ihnen entfernt werden sollte. Und ein halbes Jahr später tat er das noch einmal. Die meisten Frauen willigten ein. So entstand zwischen 1999 und 2001 eine außergewöhnliche Sammlung von 210 Bildpaaren, auf denen Frauen ihre Schmerzen, ihre Ängste und auch ihre Befreiung von Beschwerden festhielten.

Vor der Operation zeichnete eine Frau ihre Gebärmutter als Regenwolke, ein halbes Jahr später als Sonne. Eine andere bildet vor dem Eingriff eine große schwarze Scheibe ab, ein halbes Jahr später ein kleines Rechteck. Eine dritte sieht nach dem Eingriff nur noch ein Loch in ihrem Körper. Ihr lakonischer Kommentar: „Weg!“ Sie hat ihn neben jene Stelle ihres Körpers geschrieben, an der ihr Uterus saß.

Warum diese Studie? „Ich war vom Mythos der Gebärmutter, jenes Zentralorgans der Frau fasziniert“, sagt Adebahr. Außerdem habe er so viele Frauen vor der OP beruhigt: Das macht doch nichts – ohne dass es Studien gab, dass „das“ wirklich nichts machte, vor allem nicht mit der Seele der Patientin. Adebahr wollte das ändern. Schließlich ist die Gebärmutter ein Organe, dessen Fehlen sich massiv auf das Selbstbild von Frauen auswirkt.

Die Patientinnen berichteten Adebahr von den Ängsten, von denen sie vor einer solchen Operation beherrscht werden. Jener vor dem Verlust ihrer Weiblichkeit zum Beispiel. „Vor der Operation gaben 56 Prozent der Frauen an, die Gebärmutter sei ein Symbol der Weiblichkeit“, sagt Adebahr. „Ein halbes Jahr nach dem Eingriff meinten dies nur noch 39 Prozent.“ Sind diese Frauen tatsächlich erleichtert – oder finden sie sich nur damit ab, was ohnehin nicht zu ändern ist? Weit über 80 Prozent der Frauen seien nach der Operation erleichtert, sagt Adebar. Seine Erklärung: „Schließlich kommen die meisten Patientinnen mit einem hohen Leidensdruck in die Klinik“, bedingt durch starke Schmerzen zum Beispiel. Weitere zehn Prozent sehen das ambivalent, neigten aber mehr zur positiven Sicht. Andererseits haben acht Prozent ein psychisches Problem damit, ohne Gebärmutter leben zu müssen. Es geht dabei auch um Sexualität.

Manche Patientinnen fürchteten sich davor, „ausgehöhlt“ zu sein, sagt ein Gynäkologe. Sie hätten Angst, dass sich ihr Mann von ihnen abwenden könnte, weil er sie nicht mehr als echte Frau wahrnehme. Alles bekannte Phänomene aus der Brustkrebschirurgie. Und auch mit ähnlichen Erfahrungen: „Es ist ja dann oft nicht der Mann, der sich abwendet, sondern die Frau, die sich zurückzieht“, sagt Dieter Johannsmeyer, Oberarzt in der Gynäkologie der Park-Klinik Weißensee.

Für Frauen ist die Gebärmutter offenbar in der Tat etwas Besonderes. „Es gab in meinem Berufsleben sogar zwei Patientinnen, die wollten ihre herausoperierte Gebärmutter in Formalin mit nach Hause nehmen“, sagt Johannsmeyer.

Aber neben den psychischen Auswirkungen gibt auch ganz praktische Ängste, die vor einer Gewichtszunahme zum Beispiel. „Tatsächlich legen manche Patientinnen nach dem Eingriff zu“, sagt Adebahr. Doch habe das hauptsächlich mit dem Lebensalter zu tun, in dem sich die meisten Hysterektomie-Patientinnen befinden. „Ab dem 50. Lebensjahr tendiert der weibliche Organismus etwas zum Dickwerden.“ Ein Drittel der Befragten hatte abgenommen, bei weiteren 33 Prozent blieb das Gewicht gleich und ein letztes Drittel nahm zu.

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