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Berlin: Die Angst vorm Parken

In Friedrichshain gehen seit einem Monat nachts schicke Wagen in Flammen auf. Die Polizei ist ratlos

Nicht schon wieder – kaum haben es sich die Feuerwehrmänner auf ihren spartanischen Betten im Schlafsack bequem gemacht, schallt es knarzend aus den Lautsprechern: „Alarm – Feuer – Auto!“ Was dann kommt, kennt Zugführer Reinhard Dutsch (46) inzwischen zu Genüge: Mit Blaulicht geht es Richtung Boxhagener Platz, der Feuerschein ist schon von weitem zu erkennen. Nachbarn schauen aus den Fenstern, Schaulustige stehen um ein brennendes Etwas herum, das noch vor ein paar Minuten als Luxusschlitten hätte durchgehen können. Für die Männer von der Feuerwache Friedrichshain zählt ein solcher Einsatz zur Routine: „Wir brauchen drei bis fünf Minuten, um das Feuer zu löschen“, sagt Dutsch.

Für die wohlhabenden Autobesitzer im Kiez ist es eher ein Alptraum: Seit Anfang Juni geht in Friedrichshain der Feuerteufel um. Er schlägt mitten in der Nacht zu, meist zwischen drei und vier Uhr. Sein Revier ist die Gegend rund um den Boxhagener Platz, als Beute sind ihm Wagen der Nobelmarken Mercedes, BMW und Audi die liebsten. Am 17. Juni beispielsweise erwischte es in der Simplonstraße einen erst zehn Tage alten Mercedes 220 CLK. Vor einem daneben geparkten, eher armseligen Gefährt machten die Flammen ebenfalls nicht Halt. Im hohen sechsstelligen Bereich liegt der bisherige Gesamtschaden der Serie. Das jüngste Opfer ist noch immer in der Mainzer Straße zu begutachten: Der silberne Mazda MX5 brannte in der Nacht zum Montag aus. Die Schnauze des Cabriolets ist komplett zerstört, eine Plastikplane über die Fenster gespannt. Jugendliche mit bunt gefärbten Haaren schlendern vorbei. „So was passiert hier? Is’ ja krass. Nee, scheiße!“ Daneben steigt ein Anzugträger in seinen Mercedes. Gut gelaunt, weil er nicht in der Gegend wohnt und „nur eine halbe Stunde“ hier parken musste. Andere Anwohner gehen inzwischen auf Nummer sicher: Sie parken lieber außerhalb der Gefahrenzone und legen dafür abends einen Spaziergang ein. Über „die Zugezogenen“ lästern auf dem Boxhagener Platz viele gerne, eine Radfahrerin höhnt: „Mit dem Porsche in zweiter Reihe parken und cool im Café sitzen…“

Schickt sich in der Stadt ein Krimineller zur Serie an, muss man auf das Lamento nicht lange warten: Jetzt hat Kurt Wansner, Sicherheitsexperte der CDU-Fraktion, Innensenator Ehrhart Körting (SPD) Tatenlosigkeit vorgeworfen und gefordert, rund um den Boxhagener Platz die Streifenfahrten der Polizei zu erhöhen – worauf die Ermittler natürlich schon selbst gekommen sind. Zum Thema Feuerteufel gibt man sich derzeit allerdings sehr zugeknöpft: Keine Details, heißt es bei der Polizei. „Wir wollen die Ermittlungen nicht gefährden.“

Eine heiße Spur gibt es bislang nicht, der Staatsschutz ermittelt in den „einschlägigen Kreisen“. Soll heißen: in der autonomen Szene. Allerdings liefert die Serie kein eindeutiges Täterprofil. Für Kriminelle aus dem autonomen Spektrum spricht, dass die sich meist die Nobelmarken aussuchen. Auch in Kreuzberg hatten sie vor rund zehn Jahren mehrfach zugeschlagen, als die Wohlhabenden den Bezirk für sich entdeckten. Gegen die Autonomen spricht unter anderem, dass es bislang keinerlei Bekennerschreiben gibt.

Auf der Feuerwache wird es voraussichtlich bald wieder heißen: „Alarm – Feuer – Auto!“ Die Männer haben um diese Zeit rund 20 Stunden Dienst hinter sich. Nach einem der letzten Einsätze hatten sich Dutsch und Kollegen gerade wieder hingelegt, als der Brandstifter noch einmal zuschlug. Die Nacht war gelaufen. Dutsch: „Das nervt dann wirklich.“

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