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Berlin: "Die Beine der Hohenzollern": Geheime Staatssache

Es war im Mai des Jahres 1901 als Passanten im Tiergarten Oberprimaner des Joachimsthalschen Elitegymnasiums bei absonderlichem Treiben beobachten konnten: Die Jungs warfen sich immer wieder auf den Bauch, um vor allem die Waden von 32 in Stein gehauenen Gestalten zu begutachten. Dann kritzelten sie eifrig in ihren Blöcken.

Es war im Mai des Jahres 1901 als Passanten im Tiergarten Oberprimaner des Joachimsthalschen Elitegymnasiums bei absonderlichem Treiben beobachten konnten: Die Jungs warfen sich immer wieder auf den Bauch, um vor allem die Waden von 32 in Stein gehauenen Gestalten zu begutachten. Dann kritzelten sie eifrig in ihren Blöcken. Hat damals jemand gefragt, was das soll? Wenn ja, hätte er vom Auftrag des Deutschlehrers Professor Otto Schroeder, gehört, einen Aufsatz über "Die Beinstellung der Denkmäler in der Siegesallee" zu verfassen. Bis heute sind die skurrilen Ergüsse erhalten. Der Kaiser höchstselbst hatte sie sie mit Randbemerkungen versehen, als seien es wichtige Staatsdokumente.

Bis vor kurzem war dies nur als Akte im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz einzusehen. Jetzt hat Helmut Caspar unter dem Titel "Die Beine der Hohenzollern" ein Büchlein herausgegeben, in dem nicht nur die Aufsätze der Schüler samt Bemerkungen von Lehrer und Kaiser abgedruckt sind. Auf 128 Seiten breitet Caspar eine klitzekleine, aber für das Kaiserreich umso symptomatischere Episode aus, in der der Leser Wissenswertes, vor allem Amüsantes, über die heute nur noch in Bruchstücken erhaltene Siegesalle erfährt. Mehr erzählend als wissenschaftlich geschrieben - ohne Fußnoten, dafür aber mit Literaturverzeichnis -, ja manchmal sogar schnodderig erzählt der Autor vor allem von Vorgeschichte und Entstehung der Galerie. Besondere Schwierigkeiten habe den 25 Künstlern bereitet, dass von einigen historischen Persönlichkeiten keine Beschreibung überliefert war. "Da ... von Albrecht dem Bären nur ein Siegel existierte, das ebenso gut ein Pfund Wurst wie ein Gesicht darstellen konnte, so habe ich bei Albrecht dem Bären ein ganz klein bißchen in den Spiegel geguckt und meinen Kopf verwandt", hat ein Künstler deshalb entschieden.

rcf

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