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In Berlin-Wedding ist dieser mächtige Baum auf ein Auto gestürzt. Feuerwehrleute zerlegen ihn.

© dpa

Die Berlin-Bilanz zu Niklas: Fernsehturm gesperrt, Gepäckwirrwarr in Tegel und mehr als 1000 Rettungseinsätze

Bäume stürzten um, Ziegel flogen auf Straßen, vier Menschen wurden verletzt. Busse, Züge und Flüge fielen aus. Feuerwehr und Polizei waren pausenlos unterwegs: Zusammen kamen sie auf 3200 Einsätze. Lesen Sie hier unsere Sturm-Bilanz für Berlin.

Chaos bei der Gepäckabfertigung

Ärger wegen "Niklas" auch am Flughafen in Tegel: Es mussten nicht nur Flüge gestrichen werden. Es sind vor allem Hunderte Gepäckstücke am Flughafen liegen geblieben (wie bereits berichtet). Da es für Mitarbeiter ab Dienstagnachmittag zu gefährlich war, das Vorfeld zu betreten, konnten rund 20 Flugzeuge nicht mehr be- oder entladen werden. Das bestätigte ein Sprecher am Mittwoch. Passagiere, die nach der Landung ihren Koffer nicht erhalten haben, können sich im Callcenter unter der Telefonnummer 030-60911150 und im Internet unter www.berlin-airport.de (Suchbegriff: Gepäckermittlung) über den richtigen Ansprechpartner ihrer Airline informieren.

Der Flugverkehr selbst hat sich in Berlin-Tegel am Mittwoch wieder normalisiert. Am Morgen mussten noch 12 Flüge gestrichen worden, 23 Flüge waren verspätet. In Schönefeld lief alles nach Plan.

Unterbrechung der Linie U3 wegen Baum auf Gleisen

Mittwochmittag ist es auf den Schienen der BVG doch noch zu Behinderungen gekommen – am Dienstagabend hatte es ja vor allem im Busverkehr Einschränkungen gegeben. Die Linie U3 musste zwischen Breitenbachplatz und Krummer Lanke gegen 13.40 Uhr wegen eines umgestürzten Baumes unterbrochen werden. Es wurde für mehrere Stunden ein Schienenersatzverkehr zwischen Thielplatz und Krummer Lanke eingerichtet, die Feuerwehr war vor Ort, um den Baum zu entfernen.

Vorerst geschlossen: der Fernsehturm in Berlin.
Vorerst geschlossen: der Fernsehturm in Berlin.

© Kitty Kleist-Heinrich

Nach Sturmtief bleibt Berliner Fernsehturm geschlossen

Sturmtief „Niklas“ hat am Dienstagabend auch den Berliner Fernsehturm erwischt. Die zwei Fahrstühle blieben am Boden; betroffen waren die Besucher der Aussichtsplattform und des Restaurants in 200 Meter Höhe. „Wir haben sie durch das Treppenhaus in die Tiefe geleitet“, sagte Dietmar Jeserich, Sprecher des Fernsehturms, am Tag danach dem Tagesspiegel. „Das ist ein nicht zu unschätzender Weg hinunter – es sind immerhin 900 Treppenstufen.“ Wie lange man dafür so braucht? „Eine halbe Stunde bestimmt.“

So einen Vorfall habe es im laufenden Betrieb noch nicht gegeben im 1969 eröffneten Fernsehturm, erzählt Jeserich. „Das Szenario kennen wir aber aus Rettungsszenarien, die wir regelmäßig trainieren“. Die 130 Gäste waren nicht allein dort oben in der tosenden Nacht; etwa 20 Mitarbeiter – Kellner, Köche, Techniker – waren ebenfalls bis Mitternacht im Restaurant.

Ein Aufzug war am Mittwoch planmäßig außer Betrieb, erzählt Jeserich. Als der Sturm aufzog und Berlin einmal durchrüttelte, blieb „zwischen 22 und 23 Uhr“ auch der zweite am Boden, „wegen technischer Probleme“. Am Mittwochmorgen rückten schon die Techniker an, die den Fehler beheben wollen. „Vielleicht sind die Fahrstühle am Donnerstag schon wieder in Betrieb.“ Der 370 Meter hohe Fernsehturm ist nicht barrierefrei, deshalb waren keine Rollstuhlfahrer in der Nacht auf der Plattform.

„Wir haben alle Gäste aufessen lassen“, sagt Jeserich. „Wir haben unsere Gäste auch sofort über den Defekt informiert und ihnen auch gesagt, dass wir alle laufen werden.“ Dann wurde abgezählt – es sollte ja keiner dort oben in 200 Meter Höhe zurückbleiben (beziehungsweise wollte sicherlich auch keiner vom Personal freiwillig 900 Stufen steigen, um „noch mal schnell nachzugucken“). Das Treppenhaus ist breit und hell und ohne klassische Wendeltreppe. Das Personal sorgte laut Jeserich für ein bisschen gute Stimmung, dann ging es in die Tiefe: Fazit: „Alle sind heil am Boden angekommen.“

Vorläufige Bilanz von Feuerwehr und Polizei

1127 technische Hilfeleistungen zwischen 15 Uhr und 3 Uhr in der Nacht, die meisten witterungsbedingt - das ist die vorläufige Bilanz der Berliner Feuerwehr für das Sturmtief "Niklas". 1200 hauptamtliche und ehrenamtliche Kräfte, einschließlich einer Verstärkung durch das Technische Hilfswerk (THW), seien im Einsatz gewesen, sagte ein Sprecher am Mittwochmorgen dem Tagesspiegel. Zwar galt es vier Verletzte zu versorgen, die Retter blieben jedoch selbst von Schäden verschont.

Die Einsätze verteilten sich über das gesamte Stadtgebiet, nach einem ersten Eindruck sei jedoch die Südhälfte etwas mehr betroffen gewesen. Um 3 Uhr sei der "Ausnahmezustand" für beendet erklärt worden. Mit allerlei Sturm-Einsätzen rechnet die Feuerwehr jedoch auch noch am heutigen Mittwoch. Der Tag dürfte so manchen weiteren Schaden ans Licht fördern, erklärte ein Feuerwehr-Vertreter - und oft werde dann der Notruf gewählt, selbst dann, wenn eigentlich ein Handwerker gefragt sei. Dächer reparieren könne die Feuerwehr schließlich nicht. Und auch der entwurzelte Baum im Garten sei nur dann ein Fall für die Wehr, wenn etwa das Haus oder der Straßenverkehr gefährdet sei.

Die Polizei verzeichnete zwischen zwischen 14 Uhr und Mitternacht 2100 Einsätze infolge des Sturms. Wegen herabgestürzter Dachziegel und umgekippter Bäume galt es Straßen zu sperren, abgeknickte Verkehrsschilder konnten die Beamten auch schon einmal selbst beseitigen. Gemeinsam mit der Feuerwehr kamen die Helfer somit auf rund 3200 Einsätze.

Sechs Stunden im Regionalzug festgesessen

Einer der größten Einzeleinsätze der Sturmnacht ereignete sich in Nikolassee. Im Bereich der Kronprinzessinnenweg war dort gegen 17.30 Uhr ein Baum auf Gleise und Oberleitung gestürzt, sodass zwei Regionalzüge einen unfreiwilligen Zwischenhalt einlegen mussten. Besonders hart traf das 400 Passagiere im Regionalexpress der Linie RE 7, der kurz nach 18 Uhr gestoppt wurde. Zwar konnte die Feuerwehr den Baum relativ schnell beseitigen, doch hatte die Bahn Nachschubprobleme. Durch das Chaos, das der Orkan auf der Schiene angerichtet hatte, konnte sie nicht so leicht einen Ersatzzug herbeischaffen. Die Passagiere saßen bis zu sechs Stunden im gestrandeten Express fest und wurden dort von der Feuerwehr betreut. Die bordeigene Batterie übernahm die Stromversorgung. Das bedeutete: Notlicht, nur kurzzeitig Heizung, aber kein Toilettengang.

Ab 22.45 Uhr konnte die Bahn mit einer Diesellok samt Waggons die Fahrgäste zum Bahnhof Wannsee transportierten - und zwar in drei Etappen bis Mitternacht. Nach insgesamt sechs Stunden waren die letzten Sturmopfer erlöst. Der gleiche Schaden hatte vorher schon einen Zug der Regionalbahn RB 22 aufgehalten. Er stand jedoch auf Höhe des S-Bahnhofs Grunewald, sodass die Passagiere schnell darüber evakuiert werden konnten. Eine Evakuierung zu Fuß durch die Dunkelheit war aus Sicherheitsgründen verworfen worden, wie ein Feuerwehrsprecher erklärte. Die Betroffenen sollen trotz der Strapazen überwiegend gelassen geblieben sein. Der Feuerwehreinsatz dauerte insgesamt sogar bis 3.20 Uhr.

Verletzte in Wedding, Charlottenburg, Friedrichshain

Tief Niklas stürmte am Dienstag heran – und die Feuerwehr war vom Nachmittag bis in die Nacht im Dauerstress. Gegen 15 Uhr rief sie den Ausnahmezustand aus. Auch alle Freiwilligen Wehren wurden mobilisiert. 1000 Mann beseitigten umgestürzte Bäume, sicherten gelockerte Baugerüste oder Dachziegel, die herabzufallen drohten. Drei Menschen wurden in Wedding, Charlottenburg und Friedrichshain durch entwurzelte Bäume leicht verletzt, eine Frau riss der Sturm am Ernst-Reuter-Platz zu Boden, sie erlitt eine Platzwunde am Kopf. Im gesamten Stadtgebiet fielen Busse und Straßenbahnen aus oder waren stark verspätet, weil Äste oder Bäume auf dem Asphalt ihre Wege blockierten. Auch der Bahn- und Flugverkehr waren massiv beeinträchtigt.

Turiner Straße Ecke Seestraße. Ein Baum wird durch den Sturm entwurzelt und fällt auf ein Auto.
Turiner Straße Ecke Seestraße. Ein Baum wird durch den Sturm entwurzelt und fällt auf ein Auto.

© Thomas Schröder

Die Bilanz der BVG

"Wir kamen glimpflich davon", hieß es am Mittwochmorgen nach dem Sturm in der BVG-Zentrale. 15 Buslinien in der Stadt waren betroffen, weil Bäume die Straßen versperrten oder die Feuerwehr im Einsatz war. Die U-Bahntrassen - etwa in Zehlendorf - waren am Abend und in der Nacht gar nicht betroffen, obwohl auch hier in der Vergangenheit oft Bäume den Bahndamm hinabgestürzt waren. Die BVG-Fähre auf dem Wannsee konnte nicht schippern, die Wellen waren zu hoch. Mehrere Straßenbahnlinien - etwa die M1, M13 sowie die Linien 12 und 68 - mussten unterbrochen werden, weil die Feuerwehr im Einsatz war ("Es fuhr dann Ersatzverkehr"). Und sonst so? Och, der Sturm hat am Bahnhof Hackescher Markt das Dach eines BVG-Wartehäuschens komplett ab- und davongerissen. "Ist aber niemand verletzt worden."

Bäume drohten auf Feuerwache zu stürzen

Mit Graupel- und Schneeschauern ging’s dienstagfrüh schon ungemütlich los – doch am Nachmittag entfaltete das aus Süd-West herangezogene Sturmtief dann mit orkanartigen Böen seine volle Wucht. Ausnahmezustand bei der Feuerwehr, das bedeutete: Die Einsätze wurden nicht mehr wie üblich chronologisch, sondern nach Priorität abgearbeitet. Gemeinsam mit den insgesamt 57 Freiwilligen Wehren Berlins, die über 66 weitere Einsatzfahrzeuge verfügen. Die Freiwillige Wehr von Hellersdorf war allerdings selbst durch den Sturm behindert. Zwei 20 Meter hohe Bäume verloren den Halt und drohten auf die Wache an der Hellersdorfer Straße zu stürzen. Sie wurden Stück für Stück zerlegt. Ein besonderer Fall: das Dach eines Geschäftshauses am Mariendorfer Damm in Tempelhof. Es wurde auf 200 Quadratmetern vom Sturm abgedeckt.

Rund 150 Passagiere übernachteten im "Hotel-Zug"

Auf Gleis 1 des Berliner Hauptbahnhofs hatte die Deutsche Bahn Dienstagabend gegen 21 Uhr einen ICE als "Hotel-Zug" bereitgestellt. Gestrandete Passagiere konnten dort die Nacht verbringen, wurden auch von Mitarbeitern betreut. Neben Sicherheitsmitarbeitern war Service-Personal im Zug, das den Passagieren Kaltgetränke reichte und ihnen Verzehrgutscheine für den Bahnhof in die Hand drückte. Gegen 7 Uhr am Mittwochmorgen fuhr der ICE allerdings ohne die Übernachtungsgäste wieder ab - schließlich wurden alle verfügbaren Züge gebraucht, um den Verkehr wieder ins Laufen zu bekommen.

Große Behinderungen an der Seestraße

An der Ecke Seestraße/Turiner Straße in Wedding fiel ein Baum auf den Asphalt und demolierte ein Auto. Ein Fußgänger in der Nähe wurde leicht verletzt. Während der Aufräumarbeiten war die Seestraße zeitweise gesperrt. Am Reichweindamm in Charlottenburg-Nord wurde eine Frau von einem Baum getroffen und an der Schulter verletzt. Gleiches ereignete sich im Volkspark Friedrichshain. Dort erlitt ein Spaziergänger durch einen Baum leichte Verletzungen.

Nur noch Tempo 60 bei der S-Bahn

Die Bahn bekam am Dienstagnachmittag Probleme sowohl im S-Bahn- als auch im Regional- und Fernverkehr: Nachdem zunächst die S 5 wegen eines umgestürzten Baumes zwischen zwischen Olympiastadion und Spandau nur noch im 20-Minutentakt pendeln konnte, prallte kurz nach 16 Uhr eine S 1 bei Hohen Neuendorf gegen einen Baum. Kein schwerer Unfall, aber die Strecke nach Frohnau musste komplett gesperrt und mit Ersatzbussen umfahren werden. Auch fünf weitere S-Bahnlinien waren unterbrochen, darunter die Ringbahn. Ab 17.30 Uhr durften alle Züge nur noch Tempo 60 fahren – damit war der Fahrplan im Berufsverkehr endgültig Makulatur. Fünf Züge kamen durch umgestürzte Bäume zu Schaden. Am frühen Mittwochmorgen konnten jedoch alle Beschränkungen wieder aufgehoben werden. Der S-Bahn-Verkehr normalisierte sich zuerst.

Keine ICE-Züge nach Hamburg und Hannover

Um 19.30 Uhr stellte die Bahn den gesamten Regionalverkehr in Berlin und Brandenburg vorsorglich ein. Die Gefahr durch umstürzende Bäume erschien zu groß. Der Fernverkehr wurde um 20 Uhr gestoppt, schon vorher war Berlin weitgehend abgeschnitten. Da war die meistgenutzte Regionallinie der Region, der RE 1, bereits aus dem Takt geraten, weil die Strecke zwischen Magdeburg und Burg sowie bei Kirchmöser im Havelland blockiert war. Die RB 23 zwischen Ferch und Potsdam musste ebenfalls eingestellt werden. An über 20 Stellen war allein im Raum Berlin-Brandenburg das Streckennetz unterbrochen. Im Fernverkehr sah es nicht besser aus: Kaum war eine sturmbedingte Gleissperrung auf der ICE-Strecke nach Hamburg aufgehoben, musste die Trasse nach Wolfsburg gegen 16.20 Uhr gesperrt werden. Damit war die ICE-Route über Hannover nach Köln und ins Ruhrgebiet blockiert. Fernzüge, die bis dahin noch unterwegs waren, durften nur noch mit 140 km/h verkehren.

In Tegel ist Gepäck liegengeblieben

Der Flugverkehr von und nach Berlin hat sich nach Angaben eines Flughafensprechers wieder normalisiert. Schließlich sei der Himmel nicht durch Bäume blockiert ... Allerdings sind einige Hundert Passagiere gestern am späten Abend ohne Koffer nach Hause gegangen. In Tegel seien wegen des Sturms etwa fünf bis zehn Maschinen nicht entladen worden, erklärte der Sprecher. Das werde nun im Laufe des Tages nachgeholt. Wer noch auf sein Gepäck warte, könne sich bei der Flughafen-Information (Tel. 030-60 911 150) oder direkt bei der Gepäckermittlung danach erkundigen. Ob das Gepäck zugestellt werde oder abgeholt werden müsse, hänge von der Fluggesellschaft ab.

Gepäck-Wirrwarr am Flughafen Tegel. "Niklas" hat die Abfertigung durcheinander gebracht.
Gepäck-Wirrwarr am Flughafen Tegel. "Niklas" hat die Abfertigung durcheinander gebracht.

© dpa

BVG-Fähre im Hafen: Wellen auf dem Wannsee zu hoch

Bei der BVG traf es zuallererst die Straßenbahnlinie 68, die zwischen Grünau und Schmöckwitz durch Busse ersetzt werden musste. Außerdem stellte die Fähre zwischen Wannsee und Kladow den Dienst ein. Die Wellen auf dem Wannsee waren zu hoch. An den Flughäfen gab es bis zum Abend mehr als 60 Verspätungen. In Tegel wurden 13 Flüge gestrichen. Zeitweise mussten am Nachmittag die Arbeiten des Bodenpersonals eingestellt werden.

Alle Parks und Gärten geschlossen

Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten schloss alle ihre Schlösser und Gärten vorsorglich um 16 Uhr. Die Stasiopfer-Gedenkstätte im einstigen Gefängnis Hohenschönhausen wurde gleichfalls geschlossen, nachdem Sturmböen Teile des Daches gelöst hatten. Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg teilte den Sportclubs mit, dass sie unüberdachte Plätze nicht mehr nutzen dürften. Auch Hertha BSC verlegte das Training nach drinnen. Einige Schulen ließen Hortkinder nicht mehr alleine heimlaufen. Die Eltern mussten sie abholen.

Schäden auch in Brandenburg

Es könne einer der schwersten Stürme der vergangenen Jahre werden, hatte es schon am Vormittag beim Deutschen Wetterdienst (DWD) geheißen. In Tegel, Adlershof und Schönefeld wurden Böen der Stärken 11-12 gemessen. Auch in Brandenburg waren die Rettungskräfte im Dauerstress. In Königs Wusterhausen fiel ein Baugerüst von einem Haus auf ein Auto. Verletzt wurde niemand. Auf der B5 zwischen Spandau und Wustermark kippte der Sturm einen PKW-Anhänger um.

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