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Berlin: Die Berliner Kakophoniker stimmen ein

SPD konfus: Vorstand und Fraktionschef sind für die Vermögensteuer, Parteichef Strieder unterstützt den Kanzler

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Der Streit um die Vermögensteuer hat auch in der Berliner SPD Chaos angerichtet. Am Donnerstagmorgen stellte sich der Landesvorstand hinter die Forderungen aus Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, die Vermögensteuer einzuführen. Am Nachmittag verteidigte Landeschef Peter Strieder den Bundeskanzler, der die Steuer nicht will. „Der Kanzler wird sich durchsetzen, schließlich hat er die Wahl gewonnen.“ Unterdessen rechnet Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) schon mit 200 Millionen Euro jährlich aus der Vermögensteuer. Schröder hatte sich vor einer Woche vergeblich über die „Kakophonie“ der Stimmen in seiner Partei beschwert. Jetzt spielt auch Strieders Orchester mit.

Der SPD-Landesvorstand hatte den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit bereits am Montag fast einstimmig aufgefordert, sich für die Vermögensteuer und eine Anhebung der Erbschaftsteuer einzusetzen. An der Sitzung nahm Strieder aus Termingründen nicht teil. Der Beschluss wurde erst gestern veröffentlicht, allerdings nicht von der Parteiführung, sondern vom Antragsteller, dem SPD-Kreisverband Friedrichshain-Kreuzberg. SPD-Sprecher Hannes Höhemann erklärt das so: „Es gab in dieser Woche so viel Arbeit, da haben wir es versäumt, den Beschluss öffentlich zu machen.“

Auch SPD-Fraktionschef Michael Müller unterstützt vorbehaltlos die angekündigte Bundesratsinitiative für eine Vermögensteuer. Die Länder hätten ein Recht, ihre Interessen gegenüber der Bundesregierung zu artikulieren, sagte er dem Tagesspiegel. Dennoch blockten die Sozialdemokraten und ihr Koalitionspartner PDS gestern Anträge von CDU und FDP ab, während der „Aktuellen Stunde“ des Landesparlaments über den Steuerstreit in der Bundesregierung zu diskutieren. „Man muss nicht über jedes Stöckchen springen“, erklärte Müller. Hat er Angst, dass Kanzler Schröder durch eine Debatte im Abgeordnetenhaus beschädigt wird? Nein, das nicht. „Aber das Parlament hätte über das Thema doch nicht sachlich und fachlich diskutiert. Die Aktuelle Stunde wäre auf eine Beschimpfung der rot-grünen Bundespolitik hinausgelaufen“, so Müller.

Nach Ansicht des SPD-Fraktionsvorsitzenden gibt es genügend andere Berliner Probleme, die im Landesparlament diskutiert werden können. Etwa die Personalprobleme in den Kindertagesstätten? Darüber wollten die Grünen debattieren, aber auch sie kamen nicht zum Zuge. Stattdessen debattierte das Abgeordnetenhaus – auf Antrag von SPD und PDS – über die neu einzurichtenden Drogenkonsumräume. „Dieses Thema stand jetzt in den Zeitungen – dann ist es doch aktuell“, meinte PDS-Fraktionschef Stefan Liebich. Er habe „keine Lust“, im Berliner Parlament schon wieder über Steuerpolitik zu reden. Diese Debatte gehöre in den Bundestag. Der Streit um die „blödsinnige“ Vermögensteuer sei sehr wohl ein aktuelles Thema für die Berliner, hielt der FDP-Fraktionsvorsitzende Martin Lindner entgegen.

Parlaments-Vizepräsident Christoph Stölzl verstand ebenfalls nicht, warum sich Rot-Rot der Steuerdebatte verweigerte. Es sei ein seltsamer Reflex, unbequeme Themen aus der Diskussion herauszuhalten. Laut Geschäftsordnung dient die „Aktuelle Stunde“ dem Zweck, „ein Thema von allgemeinem Interesse“ zu besprechen. Für die Koalition sei es ein fragwürdiger Sieg über die Opposition, die Themenauswahl zu diktieren, kritisierte Stölzl. Den normalen Bürger interessiere eine solche parteipolitische Taktiererei nicht. „Das Abgeordnetenhaus entmündigt sich dadurch nur selbst.“

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