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Ja, sind wir im Wald hier? Ulrike Kreplin ist künftig für den Berliner Forst in Grünau verantwortlich.

© Foto Stefan Jacobs

Die Berliner und ihr Wald: Königliche Försterin im Revier

Ulrike Kreplin ist Försterin. Damit steht sie für eine Institution, die Berlin und Berliner prägt. Sie pflanzt Bäume für Generationen - und freut sich an den Pilzen, die es nur in diesen Tagen gibt.

Ulrike Kreplin hat grünlackierte Fingernägel, trägt eine Kette mit goldenem Tannenzapfen und hat ihre Baumköniginnenhose angezogen zur Feier des Tages. Weil die aufgenähten bunten Blätter zur Saison passen und sie die Erwartungen der Bürger ahnt. Als neue Revierförsterin in Grünau vertritt Kreplin eine Institution, die in den Außenbezirken vielen näher ist als der ganze große Rest der Verwaltung. Ihr Vorgänger hat über Jahrzehnte das Leben im Revier mitbestimmt: Monatliche Waldwanderung, Kooperationen mit Bürgerhaus, Feuerwehr, Schule und Waldkita, dazu Sprechstunden und eben zwei Feste im Jahr. Beim Herbstfest an diesem Sonnabend können sie also wechselseitig Witterung aufnehmen, die 31-jährige Nachfolgerin des alten Försters und die Bürger.

Zu bereden gibt es genug. Ganz konkret, weil sich gleich ein älteres Paar aus der Nachbarschaft echauffiert, als die geladenen Schnitzmeister am Vormittag ihre Motorsägen anwerfen. Und ganz allgemein, weil vor allem Ältere den Wald oft verrumpelt finden: Wo früher nur Bäume in Reih und Glied standen, rotten jetzt auch tote Äste vor sich hin und kämpfen kleine Laubgehölze gegen die Altherrenriege der Kiefern an. Ulrike Kreplin lädt also die Nachbarn herzlich zu Blasmusik und Bratwurst ein und berichtet den Spaziergängern über naturnahe Waldwirtschaft, Artenvielfalt von Totholzbewohnern sowie den Umbau von Nadel- zu Mischwäldern . Auch über Nachhaltigkeit gibt es viel zu erzählen, die wurde vor 300 Jahren in der Forstwirtschaft erfunden.

Mit 18 Prozent des Stadtgebiets ist der Wald in Berlin eine große Nummer. Kreplin will ins Herbstfest „ein bisschen forstlichen Schwung reinbringen“, damit die Leute nicht den Wald vor lauter Grillwurst übersehen. Deshalb hat sie die Sägekünstler eingeladen, die alte Stümpfe als Eulen, Adler und Pilze auferstehen lassen. Deshalb steht ein Sägebock fürs Publikum auf dem Dreiseithof zwischen den backsteinernen Forstgebäuden. Deshalb hat sie nicht nur einen Kettenwechselparcours für Sägeprofis organisiert, sondern auch zahnlose Ketten geordert, damit Laien ein Gefühl für die Arbeit bekommen und die Männer nicht zum Motorbootrennen abwandern müssen, das auf der nahen Regattastrecke an der Dahme lärmt.

Bei Lektüre der Forsthauschronik hat Ulrike Kreplin gelesen, dass ihr Domizil einst am Wasser stand. Bis um 1900 ein Ruderverein das Ufer begehrte und die Forsthäuser Stein für Stein auf der anderen Seite der Regattastraße neu aufbauen ließ. Ein Wassergrundstück, das wär’s, sagt sie lachend. Sie weiß, dass sie eh gut dran ist. In der Berliner Verwaltung werden ja nicht viele Jobs für frischgebackene Uni-Absolventen ausgeschrieben, zu denen neben frischer Luft auch eine Dienstwohnung mit Streuobstwiese, gepflastertem Hof mit Kastanie sowie neben vier Mitarbeitern auch zwei Rückepferde gehören. Die Tiere, die Stämme schonender als jede Maschine ziehen, sind eine Rarität in Berlin; die beiden Grünauer werden in den neun Köpenicker Revierförstereien hin- und hergeborgt.

Mit „den Dicken“, wie Kreplin die Kaltblüter nennt, ist sie bei kleinen Mädchen die Größte. Apropos: Die Waldköniginnenhose hat sie dem Zufall zu verdanken, der sie bei einer Waldarbeits-WM in Baden-Württemberg gegenüber einem Stiftungsvorstand im Festzelt saß. Der suchte gerade eine Baumkönigin, die seinen „Baum des Jahres“ krönen sollte. So wurde sie Ulrike I., als im Berliner Zoo der Bergahorn als Baum des Jahres 2009 ausgerufen wurde. Wobei sie nicht mit unseriösen Spartenköniginnen verwechselt werden will. Deshalb gehört zum Gewand ein Hut statt einer Krone und zum Amt die Devise: Substanz statt Tütü.

Bleibt die Frage, wann es beruflich im Wald am schönsten ist. „Im Sommer ist am wenigsten zu tun, aber am schönsten ist es im Frühjahr und Herbst“, sagt Kreplin und berichtet von Maronen, Stein- und Birkenpilzen, die man seit ein paar Tagen nicht mehr suchen, sondern nur einsammeln müsse. „In ein, zwei Wochen ist das vorbei.“ Dann kann sie sich wieder voll auf die Bäume konzentrieren, die andere drei, vier Generationen vor ihr gepflanzt haben. Und sie sieht ganz andächtig aus, wenn sie an die Eichen denkt, die jetzt gepflanzt und ums Jahr 2180 geerntet werden.

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