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Berlin: Die Biederfrau

Sabine Braun beendet beim Istaf ihre Karriere – und spürt bis zum Schluss, dass ihre Rolle zementiert ist

Von Frank Bachner

Berlin. Die Frau stand ganz allein hinter der großen Sponsorenwand. Sie starrte durch das große Panoramafenster oder sie starrte auf ihre Schuhe. Sie war gerade überflüssig, keiner benötigte sie. Jedenfalls kam es ihr so vor. Aber natürlich war sie auch eine „charismatische Frau“, das hatte sie ja gerade gehört. Vor der Sponsorenwand allerdings, bei der Vorstellung von zwei Topathleten, die beim Internationalen Stadionfest (Istaf), dem größten deutschen Leichtathletik-Meeting starten (Freitag, 19 Uhr, Jahnstadion). Da hatte Istaf-Meetingdirektor Christian Schenk bei einer Pressekonferenz verkündet, dass man Sabine Braun und Heike Drechsler präsentieren müsse. „Wegen ihnen haben wir den Weitsprung ins Programm gehoben“. Die Siebenkämpferin Braun startet wie Drechsler im Weitsprung.

Jetzt stand die zweimalige Olympiasiegerin Drechsler vor der Sponsorenwand, redete in Mikrofone und Kameras, und Sabine Braun starrte auf ihre Schuhe. Die Wand zwischen ihr und Drechsler war wie eine Mauer. Sie hatte wieder ihre Rolle zugewiesen bekommen. Die graue Maus der Leichtathletik, die Biederfrau mit den zwei Weltmeister-Titeln im Siebenkampf. Zum charismatischen Star aufgewertet für eine PR-Aktion.

Zur Bittstellerin fühlte sie sich davor abgewertet. Die Gage? Lachhaft. „Ich bekomme deutlich zu wenig“, platzt sie heraus. Schenk bot eine Summe an, Braun forderte mehr, und irgendwann sagte sie: „So viel und keinen Cent weniger, sonst starte ich nicht.“ Schenk hat nicht viel Geld im Etat, Frauen-Weitsprung ist bei Meetings selten im Programm, die Pokerei ist Schenks Job. Aber Sabine Braun geht es um mehr. Sie erwartet bei solchen Gesprächen so etwas wie Respekt. Immerhin ist Berlin ihr wirklich letzter Wettkampf, die EM in München war der Abschied von internationalen Meisterschaften. Diese Abschiedsvorstellung hat für sie etwas Feierliches. Sie ist 37, sie ist seit fast 20 Jahren dabei. Die Feilscherei nimmt diesem letzten Auftritt die Würde. So kommt es ihr vor. Sie ist diesen Umgang natürlich gewöhnt, das ist ja das Problem. Gerade deshalb hätte sie gerne Anerkennung für das Lebenswerk Sabine Braun gespürt.

Was wartet denn nach ihrer Karriere auf Sabine Braun? „Meine berufliche Zukunft steht auf wackeligen Beinen“, sagt sie. Bis 2003 hat sie einen Vertrag mit Nordrhein-Westfalen als Nachwuchstrainerin. „Unklar, ob der verlängert wird.“ Der Posten als sportlicher Leiter eines Olympiastützpunkts im Ruhrpott wird 2003 auch frei, das reizte sie. Aber noch hat keiner nachgefragt, und sie drängt sich nicht auf. Notfalls muss sie ihren Verein nach einem Job fragen, den TV Wattenscheid. Nur Aktiven-Trainerin will sie nie werden. Es sind im Grunde Probleme, die viele andere auch haben, aber Sabine Braun hat halt häufig das Gefühl, dass diese Probleme zu ihrer Rolle gehören. Die graue Maus ohne Angebote. Seit 2001 hat sie keinen Sponsor mehr. Wettkämpfe nach der EM bekam sie nicht angeboten.

Sabine Braun wird am Freitag noch ein bisschen winken und zu den Zuschauern lächeln. Es wird wohl eher ein stiller Abschied. Aber wenn irgendeiner sie als charismatisch in Erinnerung behält, ihr soll’s Recht sein.

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