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Berlin: Die Bombennacht von Potsdam

Vor 60 Jahren griffen britische Flugzeuge die bis dahin verschont gebliebene alte Residenzstadt an. Die historische Mitte ging in Flammen auf

Der Feuerschein erhellte den Himmel über viele Kilometer. Noch im Harz sahen die Piloten beim Blick zurück ein Licht in der Ferne. Potsdam, die alte Residenz-, Kunst- und Garnisonsstadt stand in Flammen. Rund eine halbe Stunde dauerte der Angriff eines britischen Bombergeschwaders in der Nacht zum 15. April 1945. Die bis dahin unzerstörte Stadt, in der neben rund 100 000 Einwohnern noch etwa 50 000 Flüchtlinge aus dem Osten lebten, verlor ihre bis heute verschwundene historische Mitte.

Mehr als 1500 Menschen starben. Das Stadtschloss brannte, die Glocken der in Flammen stehenden Garnisonkirche krachten auf das Pflaster, die Häuserzeilen am Alten Markt und in den angrenzenden Straßen fielen genau wie am Brauhausberg in sich zusammen.

Eine Woche später begannen die Kämpfe gegen die aus verschiedenen Richtungen heranrückende Rote Armee. Durch Artilleriebeschuss wurden erneut viele Menschen getötet. Am 30. April herrschte endlich Frieden. Zwei Drittel der Innenstadt waren verloren, 4000 Kubikmeter Schutt lagen aufgetürmt.

Lange wurde gerätselt, warum die Briten gerade Potsdam bombardiert hatten. „Das Ziel war der Hauptbahnhof“, sagt der Autor des Buches „Die Nacht von Potsdam“, Hans-Werner Mihan. Der Verkehrsknotenpunkt, von dem Soldaten an die Front geschickt wurden, sollte zerstört werden. Erinnerungen britischer Offiziere belegen diese These. Sie beriefen sich auf oberste Militärkreise der Alliierten. Diese hätten geglaubt, die von Joseph Goebbels propagierte „Wunderwaffe“ würde via Potsdam an die Front transportiert. Tatsächlich entdeckten Aufklärer damals große Truppenbewegungen am Hauptbahnhof – aber eine Wunderwaffe gab es nie.

Hans-Werner Mihan, der als 17-jähriger Flak-Helfer den Angriff erlebte, berichtete am vergangenen Dienstag auf einem Zeitzeugentreffen im Hans-OttoTheater von seinen Erinnerungen. „13 Minuten kreiste zunächst eine einzelne Halifax-Maschine im Scheinwerferlicht über der Stadt. Einzelne Bomben fielen. Doch der Hauptschlag begann erst mit dem Abwurf von an Fallschirmen hängenden 836 Leuchtbomben.“ Gleich im Anschluss folgte die rund 50 Kilometer lange Bomberkolonne mit mehr als 700 Flugzeugen.

Weil es zu wenige Luftschutzkeller gab, kamen bei diesem Angriff besonders viele Menschen um. In der barocken Innenstadt besaßen die meisten Häuser gar keinen tiefen Keller. „In jener Nacht saß unsere Familie mit etwa 200 Menschen in einem Unterschlupf in der Gutenbergstraße“, erinnerte sich Astrid Kleemann. „Nach dem Angriff gab es nur 14 Überlebende, darunter alle acht Mitglieder unserer Familie.“

Die damals 20-jährige Amelie Ortwein musste am Morgen nach dem Angriff einen bedrückenden Einsatz leisten. „Im Bahnhof waren ein Munitions- und ein Lazarettzug explodiert. Die Druckwelle zerriss viele Menschen, so dass überall Leichenteile auf der Straße lagen oder in den Bäumen hingen.

Vom Angriff blieben die Kaserne sowie die Schlösser und Gärten weitgehend unversehrt. Im Park Sanssouci fielen nur zwei Bomben. Exakt 200 Jahre zuvor wurde am 14. April – dem Datum der Bombennacht – der Grundstein für Schloss Sanssouci gelegt.

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