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Berlin: Die deutsche Eiche ist zu hart

Auf der Grünen Woche zeigen starke Männer, wie schnell sie einen Holzblock zerteilen können

Die Klinge dringt tief in den Holzblock, zehn, zwölf Zentimeter, immer im gleichen Winkel. Ein Keil bricht raus, dann bearbeitet Herrmann Schönbächler die andere Sei- te. Wenige Schläge noch und endlich: Der obere Holzblock fällt. In 24 Sekunden hat er den 30 Zentimeter dicken Stamm zerteilt.

„Sportholzfällen“ nennt sich das, was auf der Grünen Woche in Halle 26a passiert. In Deutschland ist das eine Randsportart, die vom Deutschen Sport-Fernsehen (DSF) nur dann übertragen wird, wenn sonst nichts geschieht. Die Zahl der Sportler ist übersichtlich: In Europa gibt es einhundert, in Nordamerika sind es ein paar tausend.

Drei Kilo wiegt so eine Axt, 400 Euro kostet sie. „Fürs Kaminholz ist die nichts“, sagt Schönbächler, „damit arbeiten Profis.“ Er ist so ein Profi. Am Abend vor dem Wettkampf hat er „richtig reingefuttert. Steak, Teigwaren und so“. Ein stämmiger Typ ist er, mit breitem Kreuz und dicken Armmuskeln. Nicht wie ein Bodybuilder, sondern natürlicher, gesünder. Schönbächler ist ein Holzfäller aus der Schweiz.

„Viele denken, dass nur Gorillas diesen Sport treiben“, sagt er, und meint wahrscheinlich: hirnlose Kraftbolzen. „Aber“, sagt Schönbächler, „du musst schon einiges wissen, um so einen Stamm schnell und intelligent zerteilen zu können.“ Schönbächler ist 2002 Dritter bei den Europameisterschaften geworden. Ein waagerechter Schlag in das Holz bringt nicht viel, erzählt er, da droht die Axt hängen zu bleiben. Und dann ist der Sport ja auch nicht ungefährlich. „Die Klinge ist verdammt scharf“, sagt Schönbächler. „Da darfst du nicht abrutschen, sonst schneidest du dir in den Fuß.“

Die Männer tragen einen Schutz unter der Hose, ein elastisches Gitter aus hartem Metall, dass die Sportler um die Schienbeine gurten. Das soll die Klinge ableiten, falls die Axt am Stamm vorbei und auf den Knöchel zusaust. Aber bei Schönbächler, „nee, da ist noch alles dran.“ Er hat sich immer nur blaue Flecken geholt. Schon sein Urgroßvater hat Holz gefällt, auch der Großvater, dann der Vater, und seit dem zwölften Lebensjahr schließlich auch Herrmann Schönbächler selbst. Jetzt, da in der Holzbranche fast nur mit Motorsägen gearbeitet werde, da sei so ein Wettkampf wie eine Rückkehr zu den Wurzeln.

Natürlich kommt kaum ein Holzsportfäller aus der Großstadt. Wo sollten die Männer auch trainieren? Im Grunewald? Oder auf der Terrasse hinterm Reihenhaus? „Die meisten stammen aus dem Waldarbeitermilieu“, sagt Lars Klein von der Firma „Stihl“, die den Wettkampf organisiert und sponsert. Die Männer in der Halle 26a kommen vor allem aus Österreich, der Schweiz, Tschechien und Süddeutschland. Sie haben gelernt, mit vielen unterschiedlichen Hölzern zu arbeiten. Für Wettkämpfe wie die auf der Messe wird Pappelholz verwandt, „das ist nicht so trocken, sondern weich und feucht“, sagt Klein. Das Material hat er mit Lastwagen extra aus den Niederlanden anfahren lassen, „weil wir in den Wäldern in Brandenburg nichts gefunden haben.“ So eine deutsche Eiche, klar, die ginge zwar auch. Allerdings würden die Männer an der richtig lange herumhacken, „bestimmt eine ganze Minute“. Der Weltrekord liegt bei 17, 18 Sekunden für einen 30-Zentimeter dicken Stamm – errungen von einem Nordamerikaner. „Aber die betreiben den Sport mit noch weicherem Holz“, sagt Klein.

Am Nachmittag, bei der Disziplin „Springboard“, müssen die Männer Fugen in einen senkrecht stehenden Holzblock schlagen und darin zwei Trittbretter platzieren. Auf dem schwingenden Brett, in etwa zwei Metern Höhe, stehen sie dann und fällen die Spitze des Stammes. Das schwankt ziemlich. Und wenn das Brett bricht, dann wird es richtig gefährlich. Schönbächler guckt gelassen. „Hätte ich Angst“, sagt er, „dann wäre ich kaufmännischer Angestellter geworden.“

André Görke

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