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Berlin: Die Eiche der Queen fiel Souvenirjägern zum Opfer

Von Stefan Jacobs Tiergarten. Der Englische Garten ist so etwas wie das Erste-Klasse-Abteil des Tiergartens.

Von Stefan Jacobs

Tiergarten. Der Englische Garten ist so etwas wie das Erste-Klasse-Abteil des Tiergartens. Ein dickes Blätterdach filtert die Stadtluft, dämpft das grelle Sonnenlicht und den Lärm der Stadt ringsum. Unter Buchen, Eichen, Linden und Kastanien lassen Spaziergänger sich mit allem berieseln, was im Frühjahr so von Bäumen heruntersegelt. Die Seele beginnt hier ganz von allein zu baumeln; der ganze Park wirkt abgekoppelt vom eiligen Dauerlauf der Zeit.

In diesen Tagen wird der Englische Garten fünfzig. Im Frühjahr 1951 regte der britische Stadtkommandant General Bourne die Anlage eines Parkes an, der an die britisch-deutsche Zusammenarbeit während der Blockade erinnern sollte. Das englische Königshaus sowie mehrere Städte und Gartenbauorganisationen von der Insel unterstützten die Idee und spendeten Pflanzen. Genug Platz und ein paar intakte alte Bäume gab es auf dem Gelände des ehemaligen Bellevueparkes nahe dem abgeholzten Tiergarten. Dreizehn Jahre später, der Englische Garten sah schon beinahe wie ein Park aus, kam die Queen zu Besuch, nahm einen eleganten Damenspaten in die Hand und pflanzte eine Eiche. Angeblich wurde das Gewächs in den ersten Nächten von einem Schupo bewacht – und in unbeobachteten Momenten dennoch von Souvenirjägern und Rowdys ramponiert.

Wer jetzt hier unterwegs ist, ahnt derlei Geschichten meist nicht, sondern genießt das Idyll. Hier treffen Mütter mit Kinderwagen auf Großmütter im Rollstuhl und alle auf Jogger und – wenn sie einen schlechten Tag erwischt haben – auf den Rasenmähermann des Grünflächenamtes, der zwischen den geharkten Kieswegen entlangböllert.

Jenseits des Teichs steht das Teehaus. Im Dachgeschoss des reetgedeckten weißen Baus mit Blick auf Terrakotta-Brünnlein wohnt der Gärtner. Am Wochenende ist er meist außer Haus, was als glücklicher Umstand gelten darf. Denn er ist der einzige ruhestörungsgefährdete Anwohner, und folglich trägt seine Abwesenheit zumindest indirekt zum Gelingen des alljährlichen Konzertsommers bei.

Veranstalter dieser Konzerte ist seit vergangenem Jahr Andres Robak. Er sitzt vor seinem Café im Erdgeschoss des Teehauses und organisiert per Handy die Bands für die acht Konzertwochenenden im Juli und August. Vor allem Jazz und „Weltmusik“ soll es geben; das Motto heißt „draußen und umsonst“ – bezahlt werden müssen nur Speisen und Getränke. Es gibt Eis, Kuchen und wechselnde Tagesgerichte zu zivilen Preisen. Für größere Veranstaltungen kann Robak auch einen bemannten Würstchengrill herschaffen. Denn es sind nicht viele Glückspilze, die mitten am Tag die Muße zur Einkehr ins Teehaus haben. Dabei ist es tagsüber am schönsten, wenn Windstöße die Blütenblätter durcheinander wirbeln und der Wasservorhang des Rasensprengers einen Regenbogen spannt. Irgendwie wird ein Park erst durch solch plötzliche Regengüsse zum Englischen Garten. Danke, Gärtner! Und ein Hoch auf England!

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