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Berlin: Die Erinnerung bleibt

Am dritten Jahrestag des Tsunami gedachten Hinterbliebene aus Berlin und Brandenburg der Opfer

Die Stele ist oben geschwungen, wie eine Welle. Auch das winterharte Grün auf dem Boden ist so beschnitten, dass seine Form an die Bewegungen von Wasser erinnert. Wenn man genau hinsieht, erkennt man auch hellen Sand vom Strand. „Wie schön, dass unsere Gedenkstätte so liebevoll gepflegt wird“, sagte Anke George gestern, am dritten Jahrestag des Tsunami, auf dem Friedhof Alt-Tempelhof. Auf der Sandsteinstele sind die Namen von Berliner und Brandenburger Opfern der Naturkatastrophe zu lesen.

43 Namen, 43 Schicksale. Ein Bild einer fröhlichen jungen Frau mit lockigen Haaren ist zu sehen: „Mini“. Ihrem „Andreas“ haben andere Angehörige Blumen niedergelegt. Siegfried Sommer, aus beruflichen Gründen mal in Eberswalde, mal in Saigon zu Hause, hat beim Seebeben in Thailand seine Ehefrau verloren. Jetzt ist er an diesen Ort nach Berlin gekommen, wo die Erinnerung für immer ihren Platz hat. Sommer war am 26. Dezember 2004 in Khao Lak, am Pool, als er diesen Lärm hörte - und plötzlich die Wasserwand erblickte, „höher als die Palmen“. Die Leiche seiner Frau fand er, konnte sie nach Deutschland überführen, hier beerdigen. Die Zeit wird er nie vergessen, auch nicht „die unterlassene Hilfeleistung der deutschen Behörden“. Von der deutschen Botschaft sei vier Tage lang niemand zur Stelle gewesen. „Die Behörden rieten mir wortwörtlich, meine Frau in Thailand verbrennen zu lassen, dann könnte ich sie im Rucksack mit nach Hause nehmen.“ Das verursache auch weniger Kosten.

Der Brandenburger sah damals unter Schock eine der wenigen Überlebenden auf einem Bungalowdach, das war Anke George. Gestern umarmten sich beide an der Stele, konnten durchaus auch mal lachen. Beide haben das Furchtbare auf ihre Weise verarbeitet, auch in der Angehörigengruppe um Pfarrer Jörg Kluge. Sommer: „Andere bekommen immer noch Zustände, allein, wenn sie Wasserrauschen hören – ich habe den Tauchschein gemacht.“ Anke George schüttelt heute nur noch den Kopf über die Mahnung, die schon bei ihr im Briefkasten lag, als sie noch schwerstverletzt in Thailand behandelt wurde: Ein Schreiben der Bundesbehörde, man solle doch schleunigst die 19,07 Euro Soforthilfe zurückzahlen.

Pfarrer Kluge steht weiter als Seelsorger bereit. Zu Weihnachten hat er den Hinterbliebenen eine ungewöhnliche Karte geschickt. Ein Foto aus dem Elsass, ein kurviger Weg, durch Weinberge und Wald, sonnenbeschienen. „Wie der Lebensweg. Man weiß nie, was hinter der nächsten Kurve kommt.“ Annette Kögel

Annette Kögel

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